Umweltministerin Lemke warnt Polen: Neue Oder-Katastrophe möglich

Polen und Deutschland streiten sich über Konsequenzen aus dem Oder-Fischsterben 2022. Umweltministerin Lemke beschuldigt Warschau.

Ein toter Fisch im Wasser

Zehntausende Fischkadaver trieben im Sommer 2022 in der Oder Foto: Lisi Niesner/reuters

WARSCHAU taz | Die Umweltkatastrophe vom Sommer 2022, als im deutsch-polnischen Grenzfluss Oder Zehntausende Fischkadaver trieben, könnte sich in diesem Sommer wiederholen. Davor warnen Umweltschutzverbände auf beiden Seiten der Oder. Das Problem ist inzwischen sogar noch größer geworden, da sich die für Fische giftige Goldalge durch die damals große Hitze, das Niedrigwasser und zahlreiche Salzeinleitungen polnischer Kohlegruben über viele Flusskilometer verbreitet hat.

Zurzeit ist die Alge kaum aktiv, doch das kann sich jederzeit ändern. Das weiß natürlich auch Polens Klima- und Umweltministerin Anna Moskwa von der nationalpopulistischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Dennoch hat sie nun kurzfristig eine Einladung der deutschen Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) zur deutsch-polnischen Konferenz „Die Oder – wertvolles Ökosystem unter Stress“ in der brandenburgischen Grenzstadt Schwedt eine Absage erteilt. Lemke warnte nun wenige Tage später im Spiegel vor einer „Wiederholung des Desasters“ von 2022 – und forderte Polen ultimativ dazu auf, „seine Einleitungen zu reduzieren“.

Der Oberlehrerton Lemkes und die Absage Moskwas sind weitere Rückschritt in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Denn obwohl sich Polen 2022 lange weigerte, die salzhaltigen Kohlegrubenwasser-Einleitungen in die Oder als Grund für das Wachstum der giftigen Alge anzuerkennen, verschwand mit der Zeit die zuvor vollmundig vorgebrachte Behauptung, dass das massenhafte Fischsterben in der Oder auf eine „natürliche Ursache“ zurückzuführen sei.

Da die konservative Regierungspartei PiS seit längerem mit einer betont antideutschen Politik bei den polnischen Wählern und Wählerinnen punkten will, fiel es den PiS-Politikern wohl schwer, die Forschungsergebnisse aus Deutschland nach außen hin anzuerkennen.

Empörung über deutsche Umweltaktivisten

Stattdessen empörte man sich über deutsche Umweltaktivisten und Politiker, die von angeblich viel zu hohen Quecksilberwerten auf polnischer Seite gewarnt hatten. Tatsächlich erwies sich diese Spur schon nach kurzer Zeit als eine Sackgasse, wozu sich alle auch bekannten. Nichtsdestotrotz wurde auf polnischer Seite die „deutsche Quecksilber-These“ als angeblicher Beweis dafür angeführt, was für schlimme Umweltverbrechen die Deutschen den Polen zutrauten.

Statt also mit den deutschen Laboren zusammenzuarbeiten, die die Goldalge als Auslöser des massenhaften Fischsterbens in der Oder ausgemacht hatten, vernetzte Umweltministerin Moskwa polnische Biochemie-Labore mit namhaften Laboren in Großbritannien und den USA auf.

Vor einigen Tagen wurde zwei großflächige Experimente im Gleiwitzer Kanal und in zwei Schleusen durchgeführt, um mit sauerstoffangereichertem Wasser oder auch speziellen Chemikalien das Wachstum der Goldalge zu einzudämmen oder ganz zu verhindern. „Unter Laborbedingungen“, so Moskwa am Dienstag in einer Pressekonferenz, „wurden gute Ergebnisse erzielt. Jetzt müssen wir die Analyse unserer Experimente im offenen Terrain abwarten.“

Lemke: „Meldekette nicht funktioniert“

Zudem hat Polen seit der Katastrophe von 2022 ein Fluss-Monitoring-System entwickelt. Es besteht aus automatischen Messungen der Wasserqualität an neun Stellen des Flusses und darin, dass Chemiker immer wieder Wasserproben an verschiedenen Orten entnehmen.

Lemke kritisierte dagegen im Spiegel erneut, dass 2022 die „Meldekette nicht funktioniert“ habe. Auch nicht gut dürfte im Nachbarland folgender Satz angekommen sein: „Aber auch Polen bestreitet nicht, dass das Salz im Fluss aus den Tagebauen kommt. Das ist ein Fortschritt.“

Von den Anstrengungen Polens, die Versalzung der Oder und das dadurch ausgelöste Algenwachstum in den Griff zu bekommen, scheint Lemke nichts zu wissen. Zwar hofft sie „weiterhin bestmöglich mit Polen zusammenzuarbeiten, damit sich die Katastrophe diesen Sommer nicht wiederholt“ – nur müsste es dafür erst einmal wieder eine Zusammenarbeit geben.

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