Umweltschützerin Akiko Yoshida über AKWs: "Die Regierung macht viel Propaganda"

Nur wenige Japaner sind tatsächlich für Atomkraftwerke, sagt die japanische Energieexpertin Akiko Yoshida von Friends of the Earth. Die meisten akzeptieren sie nur.

Der öffentliche Protest gegen Atomenergie ist in Japan noch sehr zaghaft. Bild: dpa

taz: Frau Yoshida, seit fast drei Monaten lebt Japan mit den Folgen der Katastrophe von Erdbeben, Tsunami und Atomunfall. Wie ist die allgemeine Stimmung? Schock oder Arbeit am Wiederaufbau?

Akiko Yoshida: In all der Unsicherheit und Angst gibt es auch Positives: Viele junge Leute arbeiten als Freiwillige in den Katastrophengebieten im Nordosten, um die Evakuierten zu versorgen. Und nach Fukushima haben viele Leute begonnen, sich gegen Atomkraft zu engagieren.

Von außen entsteht der Eindruck, dass man einfach weitermacht.

Viele junge Leute mit Kindern haben Angst und sagen, wir müssen etwas ändern. Auch allgemein gibt es ein Umdenken: In Umfragen sprechen sich zwei Drittel der Japaner für einen Ausstieg aus der Atomkraft aus. Zuvor waren es weniger als 30 Prozent. Und im April hatten wir in Tokio eine Demonstration mit 150.000 Menschen.

Akiko Yoshida, 29, lebt in der Nähe von Tokio und ist Energiereferentin der japanischen Sektion der Organisation "Friends of the Earth".

Im Ausland kommt nicht viel davon an.

Weil die Zeitungen und das Fernsehen kaum darüber berichten. Bei Facebook und Twitter hingegen gibt es viele Informationen über Radioaktivität. Die neuen Medien sind unabhängig - anders als Fernsehen und Zeitungen, die wegen Anzeigen von der Energieindustrie abhängig sind.

Bisher galt Japan als sehr technikgläubig. Ändert sich das?

Ja und nein. Manche sind jetzt kritischer. Aber andere sagen: Wir brauchen Atomkraftwerke, die sicherer sind. So wie es auch die Regierung sagt.

Ministerpräsident Naoto Kan hat angekündigt, die Energiepolitik zu überprüfen. Geht das in die richtige Richtung?

Wir hoffen das, aber bislang hat sich nichts geändert. Die Energieversorgung soll weiter auf zwei Säulen ruhen, der fossilen und der nuklearen. Die Regierung will die Erneuerbaren weiterentwickeln, aber unklar ist, in welchem Umfang das geschehen soll. Wir müssen aber die Perspektive völlig ändern und brauchen eine Wende weg von fossil und nuklear hin zu mehr Effizienz und Erneuerbaren. Es gibt Experten, die errechnet haben, dass Japan sich 2050 völlig aus Erneuerbaren versorgen könnte.

Japans Klimaziel lautet minus 25 Prozent bis zum Jahr 2020. Wie soll das ohne Atom und ohne Erneuerbare gehen?

Das Klimaziel ist unter Druck. Vielleicht wird man es auch wegen Fukushima zurückziehen, weil man mehr auf fossile Brennstoffe setzen wird. Das wären schlechte Nachrichten fürs Klima.

Warum ist Japan, das die Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki erlebt hat, so positiv zur Atomkraft eingestellt?

AKWs sind anders als Hiroshima und Nagasaki, sagt die Regierung. Die AKWs sind sicher und sauber, heißt es. Die Regierung macht viel Propaganda. Das Erziehungsministerium hat einen Malwettbewerb für Kinder veranstaltet, wo sie Poster für die Atomkraft malen und schreiben, wie sicher das alles ist. In diesem Jahr haben sie den Wettbewerb ausgesetzt. Aber wer weiß, was nächstes Jahr wird.

Bringt Fukushima den NGOS in Japan einen großen Schub?

Ja. Und wir haben auch unsere Strategie geändert. Vor Fukushima haben wir mehr den Export von Atomtechnik kritisiert, nicht so sehr die japanischen AKWs. Aber wir sind immer noch klein. In ganz Japan haben Friends of the Earth 500 Mitglieder. Unsere deutsche Partnerorganisation, der BUND, hat 460.000 Mitglieder und Förderer.

Denken die Japaner, die Deutschen sind verrückt, weil sie aus der Atomkraft aussteigen?

Soweit ich das sehe, denken viele, dass der Ausstieg richtig ist. Sehr wenige Leute in Japan sind wirklich für Atomkraft, die meisten akzeptieren es einfach. Oder sie denken, dass sie auf den Atomstrom angewiesen sind.

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