Unbeliebter Fußballclub in Schweden: Bus statt Bull

Die Empörung im Fußball trifft hierzulande RB Leipzig. In Schweden wird der AFC Eskilstuna angefeindet. Der Klub ist abgestiegen.

Fans auf einer Tribüne

Fans von Eskilstuna im Oktober 2017 Foto: Imago / Bildbyran

ESKILSTUNA taz | Als der Abstieg des AFC Eskilstuna besiegelt ist, ist niemand da, um das zu feiern. Dabei sind sich die sonst so zerstrittenen Anhänger der anderen Klubs in der schwedischen ersten Liga, Allsvenskan genannt, ausnahmsweise eine ganze Saison lang einig gewesen: in der Abneigung gegen den AFC.

Doch die Fans von IF Elfsborg haben sich die Gelegenheit entgehen lassen. Sie haben den 3:2-Auswärtssieg beim ungeliebten Emporkömmling boykottiert und nur eine Abwesenheitsnotiz hinterlassen: „AFC zieht herum und verbreitet die Pest, wo ist euer nächstes Umzugsnest?“, ist auf zwei riesigen Transparenten im verwaisten Auswärtsblock zu lesen.

„Wir sind der wohl meistgehasste Verein, den es in Schweden je gegeben hat“, sagt Mikael Einarsson. Der 29-jährige Pressesprecher, erst vor einem Jahr von einer Journalistenschule abgegangen, ist immer noch spürbar überwältigt von dem, was ihn und Eskilstuna in der Liga entgegenschlug. Die gegnerischen Fans hätten von Anfang an gegen den Verein geschossen, aber auch die Medien. „Warum sehen sie uns als Gefahr?“, wundert sich Einarsson noch immer, „wir sind doch nur ein kleiner, junger Klub“.

In der Tat gibt es AFC erst etwas mehr als zehn Jahre. Als die Stockholmer Stadtteilvereine FC Café Opera und Väsby IK zu Väsby United fusionierten, begann die Vereinsgeschichte. Nach weiteren Kooperationen und einem Hin und Her zwischen der zweiten und dritten Liga startete der Verein im Jahr 2012 als Athletic FC United den Angriff auf die erste Liga. Doch nach dem Aufstieg in die Eliteliga ging es dann plötzlich aus dem Stockholmer Stadtteil Solna ins 100 Kilometer westlich gelegene Städtchen Eskilstuna.

120 Menschen im Fanclub

Es war der erste Ortswechsel eines Erstligisten in der Geschichte des schwedischen Fußballs. Einarsson nennt ganz einfache logistische Gründe: In Stockholm habe es an den professionellen Voraussetzungen, vor allem einem geeigneten Platz, gefehlt. Doch angesichts der Auswahl der neuen Heimat wirkt der Umzug mindestens kühl kalkuliert.

Denn in Eskilstuna gibt es zwar noch die beiden lokalen Vereine City und IFK, doch die spielten 1964 zuletzt in der höchsten Spielklasse und sind seit Jahren im unterklassigen Fußball gefangen. Dafür besitzt die Stadt ein hübsches, kleines, im Jahr 2002 modernisiertes Stadion, das Tunavallen.

Mikael Einarsson, Pressesprecher

„Warum sehen sie uns als Gefahr? Wir sind doch nur ein kleiner, junger Klub“

Statt wie zuvor in Solna nur ein paar hundert finden sich hier im Schnitt immerhin drei- bis viertausend Leute ein. „Wir waren froh, als AFC hierherkam“, sagt stellvertretend Lucas Ingesson. Er hat vor einem Jahr mit Tim Ekstrand und Gustav Oskarsson die AFC Eskilstuna Supporters gegründet. Anfangs waren sie oft nur zu zehnt, mittlerweile sollen etwa 120 Menschen dem Fanclub angehören. Gegen Elfsborg versammeln sich knapp 40 Leute in dem Block hinterm Tor.

Reicher Busunternehmer mit russischen Wurzeln

Sie alle kommen aus Eskilstuna und waren vorher keine Fans des AFC United. „Wir hatten mehr als fünfzig Jahre keinen Erstligafußball“, erklärt Gustav Oskarsson, „und wünschen uns nur, dass die drei Vereine in Eskilstuna nun zusammenarbeiten und gemeinsam einen starken Verein bilden.“

Der Trubel der Saison hat bei allen Beteiligten Spuren hinterlassen. Beim ersten Auswärtsspiel in Göteborg wurde der kleine Fanbus angegriffen. In ihm saßen Lucas, Tim und Gustav sowie ein paar andere. „Sie haben gedroht, uns alle zu töten“, erzählt Gustav Oskarsson. Auch der mächtige Klubbesitzer Alex Ryssholm hat Morddrohungen erhalten. Er ist der Hauptgrund für den Unmut. Denn andere Plakate der abwesenden Elfsborg-Anhänger richten sich direkt an den reichen Busunternehmer mit russischen Wurzeln: „Für uns ist Vereinsdemokratie eine lebenswichtige Frage, für Ryss­holm eine unerträgliche Plage.“

Die Parallelen zum deutschen Erfolgsprojekt RB Leipzig sind offensichtlich. Denn wie dessen Hauptgönner Dietrich Mateschitz ist auch Ryssholm kein Freund von Basisdemokratie und Mitsprache. 1.000 schwedische Kronen kostet der Jahresbeitrag, sehr viel für schwedische Verhältnisse, und Ryssholm hat sich auch gleich mal für zehn Jahre zum Klubchef wählen lassen.

Schwedens Fußballfans haben deshalb wohl einen ähnlichen Durchmarsch wie den von Leipzig erwartet – und sich auch die Stilmittel des Widerstands in Deutschland abgeschaut. Doch es gibt einen Unterschied. In Eskilstuna blieb der Erfolg aus. „Wir sind kein Red Bull“, sagt Einarsson, „wir sind immer noch einer der kleinsten Klubs und finanziell sind wir von Meister Malmö so weit entfernt wie der von Manchester United.“

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