Unbeliebtes Fracking: Die Claims sind abgesteckt

Schleswig-Holstein muss Prüfgenehmigungen für die Suche nach Öl und Gas erteilen. Die umstrittene Fracking-Methode aber will das Land nicht zulassen. Helfen soll dabei eine Bundesratsinitiative.

Nicht überall gern gesehen: Fracking-Gerätepark im US-amerikanischen Tunkhannock, Pennsylvania. Bild: dpa

KIEL taz | Schleswig-Holstein ist Bergbauland: An derzeit neun Stellen möchten Unternehmen wie RWE Dea nach Rohstoffen suchen, vor allem nach Gas und Öl. Für alle diese Gebiete, deren größte sich über mehrere Landkreise erstrecken, hat das Kieler Umweltministerium den Energiefirmen Prüfgenehmigungen erteilt. Bohrungen und vor allem den Einsatz der umstrittenen Fracking-Methode will das Land aber verhindern: per Bundesratsinitiative, die Förderung von Gas aus Gestein generell verbietet – und Verzögerungstaktik.

„Die Claims sind abgesteckt“, sagte Umwelt- und Energieminister Robert Habeck (Grüne), als er am Donnerstag eine Landkarte mit den Gebieten vorstellte, für die die Firmen sich Prüf-Rechte gesichert haben. Ob diese Orte bekannt gemacht werden oder lieber nicht, war in den vergangenen Tagen ein Streitpunkt. Nicht eingetragen sind die Flächen, für die noch ungenehmigte Anträge vorliegen. Vier genehmigte Claims fehlen, weil die betroffenen Unternehmen einer Veröffentlichung widersprachen. Es handelt sich aber laut Ministerium um Flächen, die deckungsgleich oder angrenzend an die dargestellten sind, einzige Ausnahme sei ein Gebiet im Kreis Schleswig-Flensburg.

Es sei dies „einer der Tage, die man als Politiker nicht erleben will“, bekannte Habeck: Die Genehmigungen zu verweigern, sei nicht möglich gewesen, da die Konzerne nach Bergrecht einen Anspruch darauf haben. Habeck ist entschiedener Gegner des Fracking, bei dem ein Chemikalien-Cocktail in den Untergrund gepresst wird, um Erdgas zu lösen und fördern zu können. Auch die anderen Parteien im Landtag, die Kommunalparlamente der betroffenen Kreise sowie Bürgerinitiativen sind gegen die Methode, da sie unabsehbare Folgen für Wasser und Boden befürchten.

Fracking leitet sich ab von "hydraulic fracturing (engl. für "hydraulisches Aufbrechen") und bezeichnet eine Methode zur Förderung von Erdgas, das in Schiefer eingeschlossen ist.

Um diesen aufzubrechen werden Gemische aus Wasser, Sand, Säuren und anderen Chemikalien in tiefe Gesteinsschichten gepresst.

Umstritten ist die Methode wegen nicht bis ins Letzte geklärter Umweltfolgen. So können die teils hochgiftigen Chemikalien ins umliegende Gestein oder auch ins Trinkwasser gelangen.

Aus den USA, wo Fracking schon weiter verbreitet ist, werden auch Fälle gemeldet, in denen entzündliches Methangas im Trinkwasser auftrat.

Auch die Klimabilanz von per Fracking gewonnenem Erdgas ist Gegenstand wissenschaftlicher Kontroversen. (taz)

Mit dieser breiten Front im Rücken hat das Umweltministerium mit den Genehmigungen gleich passende „Hinweise“ verschickt, „um das Augenmerk auf mögliche Verbotsgründe zu lenken“, so Habeck. Will sagen: Die Firmen sollen ruhig wissen, aus welcher Richtung Gegenwind droht, sollten Anfragen nach Probebohrungen und später gar Fracking-Anträge folgen. Soweit ist es längst noch nicht: Die Prüfung der Standorte – „Aufsuchung“ heißt der Fachbegriff – dauert meist mehrere Jahre. Dabei wird noch nicht gebohrt, sondern werden seismische Daten und Gesteinsproben untersucht. Gerade wenn große Claims beantragt werden, wissen die Firmen oft noch nicht, wo der Bodenschatz steckt.

Anders ist die Lage bei vier deutlich kleineren Gebieten an der Ostseeküste bei Kiel: Hier gab es bereits früher Ölbohrungen, die Flächen sollen nun erneut untersucht werden. „Die Lagerstätten sind uns bekannt, Stimulation durch Fracking ist nicht erforderlich“, erklärte das Unternehmen RWE Dea, das Rechte an dreien der Felder hält. Auch andere Firmen teilten dem Ministerium mit, sie planten kein Fracking.

Allerdings haben nicht alle geantwortet. Und gerade die „Explorations- und Produktionsgesellschaft“ PRD Energy, ein börsennotiertes Unternehmen mit Sitz im kanadischen Calgary, will erklärtermaßen „zu den Top-Unternehmen der Öl- und Gasbranche in Deutschland“ stoßen und bekennt sich zu „neuen und innovativen Technologien“ – wozu sich auch Fracking zählen lässt.

So will Habeck gleich zwei Riegel vorschieben: Eine Bundesratsinitiative, die das Land spätestens im Mai starten will, soll Fracking in ganz Deutschland verbieten – wie viel Zustimmung Schleswig-Holstein für diesen Vorstoß bekommt und wie lange das Verfahren dauert, mochte der Minister nicht beantworten. Um bis zu einem möglichen Gesetz alle Bohranträge ablehnen zu dürfen, argumentiert das Land damit, dass ein neuer Entwicklungsplan für ganz Schleswig-Holstein erstellt werden soll. Solange dieses Verfahren läuft, kann die Regierung eine „Veränderungssperre“ erlassen. „Wir können Zeit gewinnen, die wir klug nutzen wollen“, so Habeck. Das Land müsse benennen, welche anderen Nutzungen es für die jeweilige Flächen gebe – Tourismus, Naturschutz oder auch Geothermie. Es sei nicht damit getan, so Habeck, „einfach zu sagen: ’wollen wir nicht‘“.

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