Unesco ehrt Berliner Siedlungen: Wohnen wird Weltkultur

Die Unesco beschließt die Aufnahme von sechs Wohnsiedlungen in die Welterbe-Liste. Sie entstanden in den 20er- und 30er-Jahren und gelten als wegweisend für die Architektur des 20. Jahrhunderts.

Kulturvolle Wohnzimmer: Haus in der Siemensstadt, die nun zum Weltkulturerbe gehört Bild: AP

Berlin hat ein drittes Welterbe. Die Unesco beschloss am Montag in Kanada, sechs Reformsiedlungen aus den 1920er-Jahren unter besonderen Schutz zu stellen. Die denkmalgeschützten Ensembles repräsentierten einen neuen Typus des sozialen Wohnungsbaus aus der Zeit der klassischen Moderne, hieß es zur Begründung. Sie hätten beträchtlichen Einfluss auf die weitere Entwicklung von Architektur und Städtebau ausgeübt.

Der Senat zeigte sich in einer ersten Reaktion begeistert. "Der soziale Wohnungsbau bildete eine zentrale Bauaufgabe des 20. Jahrhunderts - es war an der Zeit, herausragende Beispiele dieser Epoche in die Liste aufzunehmen", sagte Ingeborg Junge-Reyer (SPD), Senatorin für Stadtentwicklung. Ihre Sprecherin ergänzte: "Wir freuen uns außerordentlich." Die Senatsverwaltung würdigte das Engagement der Siedlungseigentümer, die sich zur "Initiative Welterbe" zusammengeschlossen haben. Es sei eine wunderbare Mannschaftsleistung gewesen. Auch die TU-Stadtsoziologin Christine Hannemann freute sich. "Ich finde das toll. Die Unesco ist ein wichtiges Instrument", sagte sie der taz.

Bei den Wohnsiedlungen handelt es sich um die Weiße Stadt in Reinickendorf, Schillerpark im Wedding, Siemensstadt, die Siedlung Carl Legien in Prenzlauer Berg, die Gartenstadt Falkenberg und allen voran die Britzer Hufeisensiedlung. Die Ensembles wurden bis 1934 von Architekten wie Bruno Taut, Hans Scharoun und Walter Gropius gebaut. Als frühe Form des sozialen Wohnungsbaus galten sie wegweisend - erstmals sollten Licht, Luft und eine bestimmte Raumgröße Standard werden. Letzten Endes schufen die Architekten die Wohnform, in der wir heute noch leben. Auch für die Architektur des 20. Jahrhunderts wurden die Siedlungen mit ihren klaren Formen maßgebend.

Berlin hat neben den Wohnsiedlungen zwei Stätten auf der Welterbeliste. 1990 wurden die preußischen Schlösser und Gärten von Berlin und Potsdam mit dem Gütesiegel versehen, 1999 kam die Museumsinsel dazu. Insgesamt hat Deutschland nun 33 Stätten, weltweit stehen ca. 850 Kultur- und Naturschönheiten unter Unesco-Schutz.

Den Berliner Antrag hatte maßgeblich Landeskonservator Jörg Haspel mehr als ein Jahrzehnt lang vorbereitet. Haspel ist derzeit als Mitglied der deutschen Delegation bei der Sitzung der Unesco-Kommission in Quebec. Brisant wurde die Situation jüngst durch die Diskussion um die Dresdener Waldschlösschenbrücke. Beobachter befürchteten, die Unesco könnte Deutschland insgesamt abstrafen und die Reformsiedlungen zurückstellen. Die Kulturschützer hatten vor wenigen Tagen beschlossen, Dresden eine letzte Chance zu geben, die Pläne für den umstrittenen Brückenbau durch das Elbtal zu verwerfen.

Nun erwarten die Denkmalschützer Impulse für die gesamte Moderne, weit über die Stadtgrenzen hinaus. Das 20. Jahrhundert ist auf der Welterbeliste deutlich unterrepräsentiert im Vergleich zu pittoresken Altstädten und barocken Kirchen.

Stadtsoziologin Hannemann hofft zudem auf Impulse in den einzelnen Bezirken. "Man kann dem Wedding nur wünschen, dass das ein erster Schritt zur Aufwertung wird", sagte sie mit Blick auf die Siedlung Schillerpark, die am Rande des Problembezirks liegt. In den Fokus dürfte nun die touristische Erschließung der Siedlungen rücken. Studenten der TU arbeiten derzeit an einem entsprechenden Konzept.

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