Ungarische Philosophin: Agnes Heller ist tot

Sie war eine der entschiedensten Gegnerinnen der rechtsnationalen Regierung von Viktor Orbán. Agnes Heller starb am Freitag im Alter von 90 Jahren.

Porträt Agnes Heller

Mitte Juni war Agnes Heller noch zu Gast auf einer Gedenkveranstaltung für Anne Frank in der Frankfurter Paulskirche Foto: dpa

BALATONALMADI dpa | Die ungarische Philosophin und Soziologin Agnes Heller ist am Freitagabend im Alter von 90 Jahren im Plattensee-Bad Balatonalmadi gestorben. Dies bestätigte die Ungarische Akademie der Wissenschaften (MTA), deren Mitglied sie war und in derem Ferienheim sie zu ihrem Todeszeitpunkt Urlaub machte. Nach Angaben des Portals „444.hu“, das sich auf Augenzeugen berief, schwamm sie in den See hinaus und kehrte nicht mehr zurück.

Heller war eine Schülerin des ungarischen marxistischen Philosophen Georg Lukacs (1885-1971). Nach dem ungarischen Volksaufstand von 1956 stellte sie den sogenannten real existierenden Sozialismus – der die sowjetische Herrschaft über Osteuropa und damit ihre Heimat Ungarn einschloss – in Frage und wurde zur Dissidentin. 1977 emigrierte sie nach Repressionen des damaligen kommunistischen Regimes nach Australien. 1986 wurde sie Nachfolgerin von Hannah Arendt auf deren Lehrstuhl für Philosophie an der New School for Social Research in New York.

Nach der demokratischen Wende 1989 kehrte sie nach Ungarn zurück. Sie wurde zu einer wichtigen und streitbaren Stimme eines modernen Liberalismus. Dies brachte sie in entschiedene Gegnerschaft zur Regierung des seit 2010 amtierenden rechtsnationalen, fremdenfeindlichen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. So kritisierte sie das umstrittene Mediengesetz, mit dem Orbán gleich im Jahr seines Amtsantritts die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender unter Regierungskontrolle brachte.

Sie wurde deshalb unter anderem auch zur Zielscheibe einer antisemitischen Kampagne seitens rechtsextremer Studenten, die der faschistischen Jobbik-Partei nahestehen. Medienkampagnen der Regierungspresse, die ihr die Verschwendung von Forschungsgeldern vorwarfen, aber auf keinen Tatsachen beruhten, prallten jedoch an ihr ab.

Auf Deutsch erschienen von ihr unter anderen „Theorie der Gefühle“ (1980), „Der Mensch der Renaissance“ (1988), „Der Affe auf dem Fahrrad. Eine Lebensgeschichte“ (1999) und zuletzt – in diesem Jahr – „Paradox Europa“.

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