Ungarn droht der Staatsbankrott: Zwischen Skylla und Charybdis

Auch Nicht-Euro-Mitglied Ungarn vor der Pleite. Der bislang sture Viktor Orbán muss nun den IWF um Hilfe bitten – eine empfindliche Niederlage für den Ministerpräsidenten.

Immer weniger wert: Ungarische Forint. Bild: reuters

WIEN taz | Ungarns Haushalt gerät immer mehr in Schieflage. Am vergangenen Montag musste die Regierung zugeben, dass das Budgetdefizit 2011 10 Prozent höher sei als angekündigt. Laut Wirtschaftsministerium lag der Fehlbetrag im vergangenen Jahr bei 1,73 Billionen Forint (rund 5,5 Milliarden Euro). Allein im Dezember wurden 486,5 Milliarden Forint zu viel ausgegeben. Ökonomen sehen das als Nachweis für die Inkompetenz des Wirtschaftsteams um Premier Viktor Orbán.

Die drei großen Ratingagenturen haben Ungarns Staatsanleihen inzwischen auf Ramschstatus herabgestuft. Unter 7 Prozent Zinsen sind diese Papiere nicht an Investoren zu bringen. Am Montag wurden Ungarn bei der Emission von sechswöchigen Schatzscheinen durchschnittlich 7,77 Prozent Rendite abverlangt.

Um den finanziellen Kollaps zu vermeiden, braucht Ungarn aber schnell frisches Geld. Dass sich Orbán deswegen an den Weltwährungsfonds (IWF) und die EU wenden muss, ist für ihn eine Niederlage. Letztes Jahr hatte er den IWF mit großer Geste aus dem Land geworfen. Und die EU, der er Einmischung in die inneren Angelegenheiten vorwirft, dient innenpolitisch stets als willkommener Sündenbock.

Auch bei den aktuellen eigenen Probleme gibt Orbán die Schuld der EU. Zugleich lenkte er aber gegenüber Brüssel ein und versprach, das umstrittene neue Notenbankgesetz auszusetzen, bis der amtierende Notenbankgouverneur András Simor im März kommenden Jahres aus dem Amt scheidet. Das Gesetz war augenscheinlich auf die Entmachtung dieses relativ unabhängig agierenden Funktionärs gerichtet.

"Die Hölle der Höllen"

Der Rückzieher bedeutet nicht nur einen empfindlichen Gesichtsverlust für den machtbewussten Ministerpräsidenten. Wenn er sich mit dem IWF einlässt, kann er seine Klientel nicht mehr bedienen. Angesichts der Sparauflagen des IWF sieht der Bankanalyst Dávid Németh "die Hölle der Höllen" auf Ungarn zukommen.

Obwohl Ungarn nicht der Eurozone angehört, hat die Union kein Interesse, dass das Land in den Staatsbankrott treibt. Europäische Banken, allen voran die aus Österreich und Deutschland, sind mit Milliarden Euro in Ungarn engagiert.

Die ausländischen Banken sind aber auch durch die Marktschwankungen hohen Risken ausgesetzt. Der rapide Verfall des Forint und die unsicheren Aussichten veranlassen auch die ungarischen Sparer zunehmend zum Kapitaltransfer ins Ausland. Sie heben ihre Guthaben ab und deponieren sie in grenznahen Banken in Österreich und der Slowakei.

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