Unicef über Mangelernährung: Erstmals mehr Kinder über- als untergewichtig
Mit Ausnahme des südlichen Afrikas und Südasiens gibt es weltweit mehr über- als untergewichtige Kinder. Das kann Folgen für ihre Entwicklung haben.

„Wenn wir über Mangelernährung sprechen, geht es nicht mehr nur um untergewichtige Kinder“, erklärte Unicef-Exekutivdirektorin Catherine Russell. „Fettleibigkeit ist ein wachsendes Problem, das sich auf die Gesundheit und Entwicklung von Kindern auswirken kann. Stark verarbeitete Lebensmittel ersetzen zunehmend Obst, Gemüse und Proteine in einer Lebensphase, in der Ernährung eine entscheidende Rolle für das Wachstum, die kognitive Entwicklung und die psychische Gesundheit von Kindern spielt“, warnte sie.
Insgesamt waren den jüngsten verfügbaren Daten von 2022 zufolge 391 Millionen Kinder und Jugendliche im Alter von fünf bis 19 Jahren von Übergewicht betroffen, heißt es in dem Bericht. 188 Millionen seien sogar fettleibig, also adipös.
In Deutschland ist demnach jeder Vierte im Alter von fünf bis 19 Jahren übergewichtig, mit leicht steigender Tendenz: von 24 Prozent im Jahr 2000 stieg der Anteil bis 2022 auf 25 Prozent. Der Anteil der adipösen Kinder in dieser Altersgruppe ist bei acht Prozent konstant, heißt es weiter in dem Bericht.
Pazifikstaaten besonders betroffen
Fettleibigkeit ist laut Unicef erstmals in fast allen Weltregionen häufiger als Untergewicht. Ausgenommen davon seien die Länder, die südlich der Sahara liegen und südasiatische Staaten.
Die weltweit höchsten Adipositas-Raten bei fünf- bis 19-Jährigen weisen demnach die pazifischen Inselstaaten auf. Hier haben sich die Werte laut Unicef seit dem Jahr 2000 verdoppelt. Im Inselstaat Niue beispielsweise seien 38 Prozent der Kinder und Jugendlichen fettleibig, auf den Cookinseln liege ihr Anteil bei 37 und in Nauru bei 33 Prozent. Der Grund für diese Zunahme sei vor allem der Wechsel von traditioneller Ernährung hin zu billigen, energiereichen importierten Lebensmitteln.
Aber auch in Chile seien 27 Prozent der fünf- bis 19-Jährigen fettleibig. In den USA und den Vereinigten Arabischen Emirate seien es jeweils 21 Prozent.
Die Gründe sind laut Unicef „stark verarbeitete Lebensmittel und Fast Food mit einem hohen Gehalt an Zucker, raffinierter Stärke, Salz, ungesunden Fetten und Zusatzstoffen“. Diese Art von Lebensmittel seien zum einen preiswert und würden an Orten, an denen sich Kinder aufhielten, „aggressiv vermarktet“. Zudem erreiche die Werbung der Lebensmittel- und Getränkekonzerne die Kinder und Jugendliche über digitale Kanäle.
Das Kinderhilfswerk warnt vor weitgehenden Folgen der Fehlernährung. Übergewichtige Kinder fehlten häufiger in der Schule, hätten Probleme mit ihrem Selbstwertgefühl und seien häufiger Mobbing ausgesetzt. Übergewicht und Fettleibigkeit könnten sich zudem ein Leben lang schädlich auf die Gesundheit auswirken und führten zu hohen Kosten für die Gesundheitssysteme sowie sinkender wirtschaftlicher Produktivität.
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