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Union attackiert ZDFZum Abschuss freigegeben

Ulrike Winkelmann

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Ulrike Winkelmann

Die harsche Kritik am ZDF hat nichts mit Gaza, sondern mit der Verachtung für die Öffentlich-Rechtlichen zu tun. Die Rechtsradikalen wird es freuen.

Der geplante Reformstaatsvertrag setzt die Fernseh- und Radioanstalten unter Sparzwang Foto: STAR-MEDIA/imago

G anz hemmungslos und ohne dem Sender die Möglichkeit zur Klärung zu geben, fallen Unions-PolitikerInnen über das ZDF her, nachdem bekannt wurde, dass ein in Gaza getötetes Mitglied eines Filmteams vielleicht zur Hamas gehörte. Die Empörungsrufe verraten dabei weniger über die Haltung der Union zu Gaza als über ihre Haltung zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Sie hat ihm die Unterstützung entzogen, sie gibt ihn zum Abschuss frei. Dazu passt die Verwendung des Kampfbegriffs „Zwangsbeiträge“ durch Kulturstaatsminister Wolfram Weimer, der diesem zuletzt sicher nicht versehentlich entfleucht ist.

Dieses Jahr ist eine sinnvolle Neuordnung der Rundfunkgebühren an den Ländern Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt gescheitert – aber schon länger muss der Rundfunk sparen. Diesen Mittwoch wird nun das entscheidende Votum des sächsischen Landtags zur Neuordnung des öffentlich-rechtlichen Systems erwartet.

Der geplante Reformstaatsvertrag setzt die Fernseh- und Radioanstalten unter zusätzlichen Sparzwang und beschränkt ihre Möglichkeiten, frei zugängliche Berichte ins Internet zu stellen. Das macht dem Rundfunk das Leben erheblich schwerer, gibt ihm aber immerhin einen Rahmen, in dem er sich umsortieren kann. Lässt Sachsen auch diesen Vertrag scheitern, steht der Rundfunk allein draußen im Regen.

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Und genau das wollen offenbar CDU und CSU: Sollen die Öffentlich-Rechtlichen doch schauen, wo sie bleiben, wir sind nicht mehr verantwortlich. Die Union gibt damit die Idee auf, dass ein öffentlicher Medienkosmos gleichzeitig unabhängig und republikanisch verankert ist, dass Fernsehen und Radio für eine Form von Aufklärung stehen, die sie mit der Politik teilen. Die rechtsradikalen Truppen werden dies im kommenden Jahr mit mehreren Landtagswahlen nutzen – sie wissen, warum die Öffentlich-Rechtlichen ihr Lieblingsgegner sind.

CDU und CSU behaupten, sie wollten den Kampf gegen Fake News, gegen hetzerische Desinformationskampagnen aufnehmen. Ihre Haltung gegenüber ARD, ZDF und Deutschlandfunk verrät das Gegenteil.

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Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.
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6 Kommentare

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  • Früher wäre man empört gewesen über die gezielte Tötung eines Journalisten durch einen Staat. Heute reichte es, dass er unbemerkt auch Hamas-Mitglied war, um anschließend noch den ganzen Berufsstand in Deutschland mitzuerledigen. Tempores mutantur et nos mutantamur in eis.

  • 1. Es sind Zwangsbeiträge, weil ich mich ihnen nicht entziehen kann. So wie Steuern. Punkt.



    2. Der Programmauftrag des ÖRR ist die Bürger mit Informationen zur freien Meinungsbildung zu versorgen.



    Das heißt der ÖRR sollte eine ausgewogene, unabhängige und vielfältige Berichterstattung bereitstellen, die den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft dient.



    Wieso man dafür grob 20 verschiedene TV Sender und um die 70(!!!) Radiosender braucht, ist mir unbegreiflich.



    Auch erschließt sich mir nicht der demokratische, soziale und kulturelle Nutzen an Formaten wie Traumschiff, Bares für Rares, Tatort oder Inspektor Barnaby.



    Und wie hunderte Millionen Euro für Fußballspiele und Großevents wie Olympische Spiele die freie Meinungsbildung positiv beeinflussen sollen, verstehe ich auch nicht.



    So lange der ÖRR für derlei Schabernack noch Geld hat ist er völlig überfinanziert.



    1 TV Sender und 1 Deutschlandfunk würden völlig ausreichen. Ein Programm a la ARTE und Nachrichten. Ende. Gebührenfrei für alle. Punkt.



    Das wäre ein ÖRR.

    • @Saskia Brehn:

      1. Das ist völlig okay, für den Rundfunkbeitrag wird einiges geboten. An der Rechtmässigkeit bestehen keinerlei Zweifel.

      2. Genau das tut der ÖRR. Wenn die gebotenen vielfältigen Informationen nicht ins eigene Weltbild passen, liegt das am verqueren Weltbild, nicht an den Informationen. Desinformation, wird in den sozialen Medien oder auf pseudo-journalistischen Plattformen wie Nius geboten, nicht im ÖRR.

      Die Bedürfnisse der Zuschauer:innen und Zuhörer:innen sind derart vielfältig, dass sie kaum mit einem Sender abgedeckt werden können. Das liegt auch daran, dass wir in Deutschland eine diverse, offene Gesellschaft haben, passt offenbar nicht jeder, ist aber so.

      Wie wichtig ein unabhängiger ÖRR ist in Ländern wie den USA, Italien oder Ungarn zu sehen, von Russland ganz zu schweigen.

      Dass sich Teile der Union und die rechtsextreme AfD daran stören, zeigt, wie wichtig und erhaltenswert der ÖRR ist, dass bedeutet nicht, dass es keiner Reformen oder Anpassung bedarf.

  • Die Union stößt, was den ÖRR angeht, schon länger in dasselbe Horn wie die Rechtsextremen. Den Unterschied zwischen journalistischer Arbeit und Propaganda scheinen dort sowieso nicht alle begriffen zu haben, Klöcker kann hier gerne als Kronzeugin dienen.

  • Nein, Frau Winkelmann, da machen Sie es sich zu leicht.



    Das ZDF hat in den Heute-Nachrichten und im Heute-Journal am Tag des Todes des Palästinensers massiv gegen Israel und das Vorgehen der israelischen Armee losgeschlagen. Ich habe die Sendungen gesehen und war sehr überrascht von der Deutlichkeit gepaart mit Einseitigkeit.



    Zu keinem Zeitpunkt wurde die Möglichkeit auch nur in Erwägung gezogen, dass der Mann bei der Hamas gewesen sein könnte.



    Also ist es nur legitim, dass das ZDF genauso deutlich kritisiert wird.

    • @Dirk Osygus:

      Selbst wenn der getötet Mitarbeiter der Produktionsfirma Mitglied der Hamas gewesen sein sollte, wird er zu keinem Zeitpunkt Einfluss auf die journalistische Arbeit des ZDF genommen haben. Insofern ist die Kritik durch die Union absolut unberechtigt.