Unipräsident zu Atomlobby-Gutachten: "Ein ärgerliche Geschichte"

Ein Professor der Berliner Humboldt-Universität ließ sich vom Atomforum einspannen, über die Firma seiner Frau. So geht es nicht, sagt jetzt sein Unipräsident.

Die Studie von Joachim Schwalbach sollte die Atomindustrie in positives Licht tauchen. Bild: dpa

taz: Herr Olbertz, ein Professor Ihrer Universität, Joachim Schwalbach, sollte für das Atomforum eine Studie über die gesellschaftliche Rendite der Atomkraft schreiben. Das Geld ging an die Firma seiner Ehefrau. Wie bewerten Sie das?

Jan-Hendrik Olbertz: Er setzt sich einem Vorwurf aus, der nicht ohne Weiteres auszuräumen ist. Zwischen einem Ehepaar besteht der Verdacht einer Verbindung - dafür heiratet man ja. Dieser Verdacht lässt sich schwer entkräften. Das schafft ein ernstzunehmendes Legitimationsproblem, vor dem Professor Schwalbach steht. Er muss erklären, ob er sich durch die Einbeziehung der Firma seiner Frau einen Vorteil verschafft hat.

Hat Herr Schwalbach sich Ihnen gegenüber noch nicht erklärt?

135.000 Euro wollte das Deutsche Atomforum zahlen für eine Studie von Joachim Schwalbach, Management-Professor an der Humboldt-Universität Berlin. Doch die Studie wurde nie zu Ende geführt.

Der taz liegt die Skizze der Studie vor, die im Rechercheblog eingesehen werden kann, auf deren Basis der Auftrag abgebrochen wurde. Demzufolge sollte die sogenannte Gesellschaftsrendite der Kernenergie an vier Aspekten berechnet werden: Versorgungssicherheit, CO2-Einsparung, gesellschaftliches Engagement der Kraftwerksbetreiber und wirtschaftlicher Nutzen, etwa durch Arbeitsplätze und Steuern.

Das Gesamtergebnis: "Die Gesellschaftsrendite der Kernenergie in Deutschland ist so hoch, dass es zu einer Verlängerung der Restlaufzeiten der Kernkraftwerke keine volkswirtschaftlich zu rechtfertigende Alternative gibt."

Doch. Ich habe mit ihm gesprochen und ihm deutlich gesagt, wie ich den Vorgang bewerte. Außerdem liegt mir eine schriftliche Stellungnahme von ihm vor.

Und was sagt er darin?

Herr Schwalbach ist ein sehr renommierter Kollege. Er sieht selbst, dass er einen Fehler gemacht hat, dessen Konsequenzen fatal sind. Ich nehme die Einsicht mit Respekt zur Kenntnis.

57, ist seit Oktober 2010 Präsident der Humboldt-Universität Berlin. Zuvor war der parteilose Erziehungswissenschaftler Kultusminister in Sachsen-Anhalt.

Das heißt, als nächstes folgt ein Disziplinarverfahren?

Wir haben bisher kein Disziplinarverfahren eröffnet. Aber es wird im Moment geprüft, ob Herr Schwalbach eine Nebentätigkeit hätte anmelden müssen. Er selbst meint, das wäre nicht notwendig gewesen, weil das Vertragsverhältnis ja nicht zwischen dem Atomforum und ihm bestand, sondern zwischen dem Atomforum und der Firma seiner Frau.

Das Abstract der Studie haben wir Ihnen mitgebracht. Obwohl wesentliche Teile der Untersuchung noch fehlen, steht Schwalbachs Ergebnis schon fest. Zitat: "Die Gesellschaftsrendite der Kernenergie ist so hoch, dass es zu einer Verlängerung der Restlaufzeiten der Kernkraftwerke keine volkswirtschaftlich zu rechtfertigende Alternative gibt." Wie beurteilen Sie das?

Das müssen Sie nicht mich, sondern einen Fachmann fragen, der solche Aussagen bewerten kann.

Herr Olbertz, vor einem halben Jahr mussten sie sich zu umstrittenen Verträgen mit der Deutschen Bank äußern. Jetzt haben Sie einen dreisten Professor an der Backe. Sie bewerben sich gerade im Exzellenzwettbewerb. So werden Sie doch nie Elite-Uni.

Wenn Sie aus diesen zwei Fällen ableiten, dass die Humboldt-Universität keine exzellente Uni ist, gehen sie ziemlich gewagt vor. Ich sage ja: Das sind ärgerliche Geschichten. Was meinen Sie, wie intensiv darüber an der Universität diskutiert wird! Dies sind Einzelfälle, aber ernstzunehmende Einzelfälle, die auch die Reputation einer Universität tangieren.

Woher wissen Sie, dass nicht auch andere Professoren Geschäfte über die Konten ihrer Ehefrauen oder Ehemänner anbieten?

Dann müssten mir und den zuständigen Abteilungen solche Geschäfte wesentlich häufiger begegnen. Ich agiere mit meinen Kollegen auf der Basis eines Grundvertrauens. Da das täglich bestätigt wird, lasse ich mich in diesem Grundvertrauen durch solche Vorfälle auch nicht irritieren. Stellen Sie sich nur vor, ich würde hier grundsätzlich jedem misstrauen. Aber natürlich sage ich auch: Solche Geschichten machen aufmerksamer. Ich schaue genauer hin.

Mit solchen Gutachten verdienen manche Professoren das Mehrfache ihres Beamtensalärs hinzu. Wieso muss ein verbeamteter Hochschullehrer eigentlich unbegrenzt dazuverdienen dürfen?

Ich habe nichts dagegen, wenn ein Professor außerhalb seiner dienstlichen Tätigkeiten wissenschaftliche Dienstleistungen erbringt und dafür auch entlohnt wird. Dass die Nebentätigkeit lukrativer ist als das Hauptgeschäft, halte ich nun wirklich nicht für den Regelfall. Aber ich will auch nicht verhehlen, dass es eine Grauzone gibt, in der individuelle Verantwortung und Sensibilität zählen und in der nicht nur formale Regeln greifen: Nebentätigkeiten müssen im schicklichen Rahmen stattfinden und dürfen nicht mit Dienstpflichten kollidieren.

Wann ist der Nebenerwerb denn nicht mehr schicklich?

Schicklich ist es nicht mehr, wenn die wissenschaftliche Leistung im Missverhältnis zur Bezahlung steht. Wenn sie zu einer reinen Ware wird, die überbezahlt wird, nur weil derjenige, der sie erbringt, einen bekannten Namen hat.

Und so kommen dann Gefälligkeitsgutachten zustande.

Wenn Ergebnisse manipuliert werden, damit sie im Sinne des Auftraggebers ausfallen, dann ist das keine Frage der Schicklichkeit mehr, sondern schlicht verboten. Dann ist für mich Land unter.

Warum gibt es keine wissenschaftlichen Studien zu der Frage, wie viel Geld über Nebentätigkeiten in die Taschen von Professoren fließt?

Das ist in der Tat misslich, weil es einen grenzenlosen Raum für Ihre Fantasie schafft und den ganzen Berufsstand in Misskredit bringt. Sie sehen ja: Wenn Sie wegen des Falls Schwalbach gleich den Exzellenzanspruch der Universität infrage stellen, müssen Sie sich mal überlegen, welche gedanklichen Sprünge Sie da machen!

Wir stellen nur fest, dass sich Wissenschaftler in einer Grauzone bewegen können, die kaum kontrolliert wird.

Ich habe eine Scheu davor, alles mit feinmaschigen Kontrollnetzen zu überziehen. Denn genau das wollen wir ja nicht. Wir brauchen die Wissenschaftsfreiheit - aber wir müssen auch über Haltung und Verantwortung reden.

Oder über Gier.

Vielleicht auch, ja. Aber mit mehr Kontrollnetzen hätten Sie zwar vielleicht solche Fälle nicht. Doch Sie würden der Mehrheit derjenigen, die auf ehrbare Weise und diszipliniert ihre Arbeit machen, das Leben unverhältnismäßig erschweren. Die große Mehrheit geht redlich ihrer Arbeit nach.

Warum setzt sich die große Mehrheit dann nicht dafür ein, zum Schutz ihres Ansehens Transparenzverpflichtungen einzuführen? Was spricht dagegen, bei Nebenjobs und Veröffentlichungen anzugeben, wie viel Geld von wem geflossen ist - und ob es dabei inhaltliche Vorgaben gab?

Einen solchen Kontrolltaumel können wir, übrigens auch in Ihrer Zunft, nicht gebrauchen. Sie würden zudem die Zwietracht unter Kollegen befeuern. Ich halte mehr davon, unser Nebentätigkeitsrecht konsequent anzuwenden und auch vermehrt Stichproben zu machen. Das bedeutet: Wenn unsere Personalstelle von einer Nebentätigkeit erfährt, die nicht in ihren Akten vorkommt, dann hakt sie auch nach. Vor allem aber müssen wir solche Verfehlungen immer wieder öffentlich diskutieren. So bleiben wir wach und sensibel.

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