Unschuldige Hobbies: Hakenkreuze bei Karstadt

Hakenkreuze und Hitler-Porträts gab es bis gestern im Miniaturformat bei Karstadt: Nach einer taz-Anfrage nahm der Konzern die Briefmarken aus dem Sortiment.

Nicht mehr im Angebot: Gemeindekongress Berlin und MÜnchen. Bild: Einzelhandel

Comics, Tiere, Weihnachten und Hakenkreuze - diese Motivbreite bietet das Briefmarkensortiment von Karstadt. "Deutschland vor 1945" ist das Regal in der Papierabteilung beschriftet, auf dem sich noch am Donnerstag zwei dicke Stapel mit Postwertzeichen aus der NS-Zeit befinden. Für 5,99 Euro gibt es acht "garantiert echte Sammler-Marken in Premium-Qualität", darunter zwei Mal den Reichsparteitag von 1936: Das Bild besteht aus einem strahlenden Hakenkreuz, davor zum Hitlergruß erhobene Hände. 1,49 Euro kostet ein Exemplar des "Tags der Verpflichtung der Jugend" von 1943, darauf abgebildet sind zwei blonde Kinder vor der Flagge der Hitlerjugend. Im Angebot sind außerdem ein "Hakenkreuz im Eichenkranz", der "Hitlerputsch" (beschriftet mit "Und ihr habt doch gesiegt"), das "Großdeutsche Reich" und natürlich Adolf Hitler im Porträt. Letzteres gibt es auch in einem großen Sammelkarton mit der Beschriftung "Böhmen und Mähren" - einsortiert in einem anderen Regal zwischen Sammelkartons zu verschiedenen Themen, darunter viele mit Tiermotiven.

Grundsätzlich verboten ist der Handel mit den Nazi-Marken nicht. Das Strafgesetzbuch erlaubt die Verbreitung von NS-Propagandamitteln, wenn dieses "der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient", heißt es in Paragraf 86. Philatelie-Versandhändler verpflichten daher oft in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen den Käufer, diese Einschränkung zu akzeptieren. Bei Karstadt Bremen allerdings fehlen entsprechende Hinweise. Daher hält der Berliner Rechtsanwalt Sven Richwin deren Verkaufsweise für rechtswidrig. "Der Verkauf der fraglichen Marken bei Karstadt lässt die vom Gesetz geforderte bildungspolitische Motivation nicht erkennen", sagt Richwin. Er verweist auf ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshof (BGH) von 1979, der Hakenkreuze auf Modellflugzeugen für strafbar erklärt hatte. Unter anderem, um zu verhindern, dass sich "NS-Embleme wieder zunehmend einen Platz im öffentlichen Erscheinungsbild erobern könnten", begründet der BGH seine Entscheidung. Gerade Kinder sollten nicht "mit dem Hakenkreuz aufwachsen und mit diesem Zeichen aus dem Spiel erwachsene freundliche Vorstellungen verbinden".

Aufgrund dieser Rechtsprechung sind auch Briefmarkenhändler bereits verurteilt worden. So hatte 2008 ein Münchener Händler eine Geldbuße von 1.600 Euro zahlen müssen, weil er im Schaufenster mit NS-Briefmarken geworben hatte.

Nach einer taz-Anfrage vom Donnerstag versprach am gestrigen Freitag eine Sprecherin der Unternehmenszentrale in Essen, die Briefmarken aus dem Sortiment zu nehmen, "weil wir keine NS-Marken anbieten wollen". Sie seien "zentral bei zwei Händlern" eingekauft und nicht allein in der Bremer Filiale vertrieben worden. Bei Karstadt in der Obernstraße waren jedenfalls schon gestern keine mehr zu bekommen.

Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Bremen, Elvira Noa, begrüßte diesen Schritt. "Ich finde es entsetzlich, wenn sich so etwas in einem Kaufhaus findet, dass eine so große Öffentlichkeit erreicht", sagte Noa. "Auch beim Geschäftemachen sollte man ethische Grundsätze beachten."

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