Unsichtbare Arbeitskräfte der taz: Schichtwechsel

Unsere Autorin verbringt einen Morgen mit den Putzfrauen in der taz und erfährt viel über die, die gehen, wenn wir zur Arbeit kommen.

Meist unsichtbar: Auch hier sind sie nicht zu sehen, obwohl sie viele Arbeit erst ermöglichen Bild: Jonas Maron

von EBRU TAȘDEMIR

Fünf Uhr dreißig in der Früh. Draußen ist es dunkel, im taz Haus und in allen umliegenden Gebäuden ist es bereits hell. Während die Kopfarbeiter, welche die Büros in einigen Stunden belagern werden, noch schlafen, entlässt die halbleere U-Bahn die unsichtbaren Arbeitskräfte in die Februarkälte. Sie gehen, wenn wir kommen. Ihre Arbeit für den Tag ist schon erledigt. In der taz werden um die Papierberge herum die Schreibtische abgetupft, Mülleimer ausgeleert und Klos desinfiziert. Es riecht eigentümlich sauber, aber wahrscheinlich nur um diese Uhrzeit.

Zwei Stunden haben die Putzfrauen jeden Tag, für ein ganzes Stockwerk. Bis sieben Uhr dauert eine Schicht.

Jeden Morgen kommen die fünf Frauen, säubern das taz Café und die Redaktionsräume. Jede reinigt ein ganzes Stockwerk. Das ist schon seit vier Jahren so, seitdem die Firma Şahin, für die sie arbeiten, die taz als Putzobjekt übernommen hat. Bis sieben Uhr dauert eine Schicht. Am Ende setzen sich alle in die Teeküche, reden, lachen und trinken Kaffee.

Hanife, 48, ist die einzige der fünf Frauen, die weiterarbeitet. Sie jagt noch schnell die Bohnermaschine durch den Konferenzraum, räumt die sauberen Tassen in die Schränke und setzt sich zu einem kurzen Plausch hin. Einen fast erwachsenen Sohn hätte sie, aber keinen Mann an der Seite. „Vielleicht eröffnen sich ja neue Möglichkeiten durch den Artikel?“, frotzeln die anderen Frauen, die verheiratet sind, und überlegen, ob ein deutscher oder türkischer Mann besser wäre.

Heimlicher Deutschkurs

Hanife erzählt, dass sie mit 16 geheiratet hat und so nach Deutschland kam. Viele Jahre später ließ sie sich scheiden, sie erzieht ihr Kind allein. Nein, Deutsch könne sie nicht gut, schade, sie hätte es gern gelernt. Die anderen Frauen nicken zustimmend. Ihre Kollegin Ayşe erzählt, wie sie in jungen Jahren heimlich einen Deutschkurs machte. Ihr Schwiegervater kam dahinter und verbot ihr den Kursbesuch. Danach machte sie nie wieder einen.

„Das ist doch wichtig als Frau, unabhängig zu sein“, sagt Hanife, wieder nicken alle Frauen. Ihre Kollegin Fatma, 49, geht sogar einen Schritt weiter. „Freiheit“ nennt sie das, arbeiten zu können, ebenfalls Geld nach Hause zu bringen und sich so unabhängig vom Lohn des Mannes zu machen. Erst jetzt, mit knapp 50, hätte sie entdeckt, dass sie sich frei fühle. War das nicht schwierig mit vier Kindern, diese frühe Arbeitszeit? Klar, sagt sie. Ihr jüngster Sohn war sieben Jahre alt, als sie sich immer schon sehr früh zur Arbeit aufmachte. Groß seien die Kinder jetzt, Oma sei sie, erzählt sie strahlend.

Bäckerei oder putzen

Ülkü, 41, hat ebenfalls zwei erwachsene Töchter. Die jüngere sei gerade im Abiturstress, sie rollt mit den Augen. Die ältere Tochter würde an der Humboldt-Universität studieren. Sie bereue es, keine Berufsausbildung zu haben. „Was bleibt mir schon? Entweder Bäckerei oder putzen.“ Trotzdem gefällt ihr die Arbeit in der taz, sie mag es, dass ihr keiner reinredet. Die Chefs seien nett und sie könnten auf Türkisch mit ihnen reden.

Herr Dincer, der Vorarbeiter, schaut kurz rein und guckt, ob noch genug Putzmittel und Mülltüten da sind. Dincer hat vor 30 Jahren bei AEG und Siemens angeheuert, dann sei er in die Gebäudereinigung gerutscht, wie er sagt. Die Schicht eines kranken Freundes übernommen und, zack, in der Firma geblieben. Die Frage nach der Auftragslage quittiert er mit einem gequälten Lächeln. „Das wissen Sie doch selbst, dass Firmen mit türkischem Namen eher keine Aufträge bekommen.“

➡ Wann? Samstag, 21. April 2018

 

➡ Wo? Haus d. Kulturen d. Welt

John-Foster-Dulles-Allee 10

10557 Berlin

 

➡ Was? Der große taz-Kongress zum Thema Arbeit

 

➡ Tickets? Online im taz Shop und offline im taz Café

 

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Aber sie hätten mehrere Putzobjekte in Berlin, das reiche. Sie zahlten den Frauen in der taz über zehn Euro und fänden trotzdem kaum Mitarbeiter*innen. Warum? „Na ja, weil das Geld vom Jobcenter kommt, warum sollen dann die Leute arbeiten?“, fragt er zurück. Keine der Frauen arbeite bei ihm schwarz, das sei der Firma wichtig. Arbeiten, das tun die Frauen hier hart. Zwei Stunden haben sie jeden Tag, für ein ganzes Stockwerk.

„Was nervt euch an der taz?“ ist die letzte Frage. Sie drucksen herum. Schön wäre, traut sich dann Ülkü, wenn alle ihre Tassen nicht auf den Tischen lassen würden. „Warum räumt hier niemand seine Becher weg?“, fragt sie. Das würde so viel Zeit kosten. Die Einladung zum taz lab, um über sich und ihre Arbeit zu sprechen, beantworten sie mit einem höflichen „Inşallah“, also einem Jein. Wir werden sehen.