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Unterhaltungen mit ChatGPTLöschen verboten

Nach einer US-Gerichtsentscheidung muss der Chatbot alle Eingaben von Nutzenden speichern. Die EU-Aufsichtsbehörde reagiert verhalten.

Die New York Times hat gegen Open AI klage erhoben Foto: Mark Lennihan/ap/picture alliance

Berlin taz | Die Option ist noch da: „Alle Chats löschen“ findet sich in dem Menu des KI-Chatbots ChatGPT. Doch wer glaubt, mit dem Klicken auf den nebenstehenden Button die eigenen Daten auch bei OpenAI, dem Unternehmen hinter dem Chatbot, zu löschen, irrt. Zwar verschwindet der Verlauf aus der eigenen Ansicht. Doch seit einer Gerichtsentscheidung aus den USA muss die Firma sämtliche Konversatio­nen zwischen Mensch und Bot aufbewahren, zunächst auf unbestimmte Zeit. Ursprünglich hatte OpenAI zugesichert, die Chats 30 Tage nach dem Entfernen auch auf seinen Servern zu löschen.

Hintergrund der Gerichtsentscheidung ist ein Streit um Urheberrechte. Geklagt hat die New York Times. Sie wirft ­OpenAI vor, Texte ohne Genehmigung verwendet zu haben, um ChatGPT zu trainieren. Das habe dazu geführt, dass Inhalte der New York Times in von ChatGPT generierten Texten aufgetaucht seien. Der Bezirksrichter sah im April in der ersten Instanz die Vorwürfe als belegt an. Und um das Risiko zu vermeiden, dass entsprechende Beweise durch Löschungen von Nut­ze­r:in­nen verloren gehen, muss OpenAI nun erst mal alle Daten aufbewahren. Betroffen sind nahezu alle Menschen, die den Chatbot verwenden. Nur, wer mit einer speziellen Version für Unternehmen oder Bildungseinrichtungen arbeitet, dessen Daten werden weiterhin gelöscht.

OpenAI gab an, Rechtsmittel gegen die Entscheidung einzulegen. Die Entscheidung „steht im Widerspruch zu den Datenschutzverpflichtungen, die wir gegenüber unseren Nutzern eingegangen sind. Sie verletzt langjährige Datenschutznormen und schwächt den Schutz der Privatsphäre“, teilte Brad Lightcap, OpenAI-Geschäftsführer, im Juni in einem Blogbeitrag mit. Die verpflichtend gespeicherten Daten werden demnach in einem extra System gespeichert, auf das nur ein „kleines, geprüftes Rechts- und Sicherheitsteam von ­OpenAI“ zugreifen kann – nur für die Erfüllung der rechtlichen Verpflichtungen.

Das Problem ist: Diese Speicherpflicht widerspricht der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Die gibt Nut­ze­r:in­nen unter anderem das Recht, ihre persönlichen Daten löschen zu lassen. OpenAI teilte im Juni mit, man ergreife Maßnahmen, den gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen. Einen neuen Stand gebe es diesbezüglich nicht, antwortete das Unternehmen auf Anfrage der taz.

Irische Aufsichtsbehörde reagiert verhalten

Für ein entsprechendes Verfahren in Europa wäre die irische Datenschutzaufsichtsbehörde (DPC) zuständig, da dort die EU-Niederlassung von OpenAI­ sitzt. Viele US-Konzerne wählen diesen Standort, da die irische Behörde als wirtschaftsfreundlich bekannt ist und die Datenschutz-Grundverordnung nur sehr vorsichtig anwendet. Die Behörde teilte der taz mit, dass sie aktuell eine Reihe von Beschwerden gegen OpenAI vorliegen habe. Zu deren Inhalt könne sie jedoch nichts bekannt geben, weil es sich um laufende Verfahren handle.

Marco Blocher von der Datenschutz-NGO Noyb rechnet ohnehin nicht damit, dass eine Beschwerde viel bringen würde: „Die irische DPC hält notorisch eine schützende Hand über Big-Tech-Unternehmen aus den USA, die ihre europäische Hauptniederlassung in Irland haben.“ Wahrscheinlich sei, dass die Behörde das Problem aussitze und warte, bis die Speicheranordnung wieder aufgehoben wird.

Eine Alternative wäre der Klageweg vor einem europäischen Gericht. Allerdings: „Wenn die Daten tatsächlich nur zu Beweissicherungszwecken für das Verfahren mit der New York Times gespeichert werden und OpenAI sie sonst nicht anrührt, sind die Risiken für Nut­ze­r:in­nen womöglich überschaubar, trotz des formalen Konflikts mit der DSGVO.“ Was das Nichtanrühren angeht, äußert Blocher aber, trotz der gegenteiligen Versicherungen von OpenAI, Zweifel: „Wie bei allen KI-Anbietern ist hier ein gewisser Argwohn sicher nicht fehl am Platz.“

In Sachen KI ist ein ‚Wettrüsten‘ im Gange

Marco Blocher, Datenschutz-Experte

Die von OpenAI eingelegte Berufung könnte darauf abzielen, die umfassende Datenspeicherung als unverhältnismäßig anzugreifen. Eine entsprechende Argumentation deutet das Unternehmen in seinem Blogbeitrag an. Denn tatsächlich dürfte nur ein verschwindend geringer Teil der ChatGPT-Konversationen etwas mit dem Urheberrechtsstreit zu tun haben.

Tipp: So wenig Persönliches wie möglich preiszugeben

So lange haben Nut­ze­r:in­nen kaum Handhabe: „Momentan kann man als Einzelperson gegen diese Speicherung wenig tun“, sagt Blocher. Er empfiehlt für die Nutzung von KI-Chatbots generell, so wenig Persönliches wie möglich preiszugeben. Denn die eingegebenen Informationen sind nicht unbedingt privat.

So wurde vergangene Woche bekannt, dass einige Konversatio­nen in ChatGPT durch eine fehlerhafte Programmierung im Index der Suchmaschine Google gelandet und damit öffentlich auffindbar waren. Und bei der Google-KI Gemini können standardmäßig Menschen die Chatverläufe zur Qualitätsverbesserung lesen. „Generell ist in Sachen KI ein ‚Wettrüsten‘ im Gange, in dem geltendes Recht achselzuckend ignoriert wird“, kritisiert Blocher.

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