Unterkünfte für Flüchtlinge: Neuer Ärger um neue Heime

Bezirke kritisieren Wahl der Standorte von Containerdörfern, auch die Rechten machen mobil. SPD-Abgeordnete findet Wärmeluftzelte inhuman.

So wie in Eisenberg (Thüringen) könnten sie wohl aussehen, die Wohncontainer für Flüchtlinge, die Berlin bald kriegen soll. Bild: dpa

Die Kritik an der aktuellen Unterbringungspolitik des Senats für Flüchtlinge wächst: In der SPD regt sich Unmut über den Plan von Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU), sogenannte Traglufthallen aufzustellen. „Ich halte das nicht für eine humane und würdige Form der Unterbringung“, sagte die sozialpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Ülker Radziwill, am Freitag der taz. Dies sei – im Unterschied zu den Wohncontainern – auch nicht in der Koalition abgesprochen worden.

Am Mittwoch war bekannt geworden, dass das Czaja unterstehende Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) im Poststadion in Mitte zwei mit Wärmeluft aufrecht gehaltene Zelte aufbauen lassen will, um weitere rund 200 Flüchtlinge unterzubringen. Im vorigen Winter war eine solche mit Feldbetten ausgestattete Halle erstmals bei der Obdachlosenhilfe getestet worden. Doch dies sei keine Lösung, so Radziwill. Darüber sei man sich in der SPD, zumindest in der Arbeitsgemeinschaft Gesundheitswesen, einig. Stattdessen, fordert die Abgeordnete, solle man alle Liegenschaften nach geeigneten Objekten durchforsten. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben.“

Unmut regt sich auch in den Bezirken. Hier drehen sich die Beschwerden um die Standorte der geplanten Containerdörfer – und ebenfalls um das unabgesprochene Vorgehen von Czaja. „Klar ist, die Flüchtlinge müssen untergebracht werden. Und Lichtenberg ist dabei schon lange vorneweg. Aber Falkenberg ist nicht gerade der klügste Ort“, sagte Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Andreas Geisel (SPD) am Freitag der taz. Er beklagte, nicht vorher über die Pläne informiert worden zu sein. „Wir haben zwei, drei Vorschläge in petto, kleinere Größenordnungen und nicht so isoliert am Stadtrand.“ Denn wenn man 400 Flüchtlinge in einem Dorf von 1.000 Einwohnern unterbringe, wo es nur eine Schule und eine Kita gibt, „wird die Integration schwierig“.

Am Montag hatte Czaja die sechs Standorte für Containerdörfer bekannt gegeben, in denen ab Dezember 2.200 Flüchtlinge untergebracht werden sollen. Sie befinden sind in den Bezirken Lichtenberg, Pankow, Steglitz-Zehlendorf, Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick. Alle Standorte liegen an der Peripherie; laut Czaja wurde aber darauf geachtet, dass die nötige Infrastruktur wie Schulen, Ärzte, Bushaltestellen vorhanden ist. Die Bezirksbürgermeister waren erst kurz vor Veröffentlichung informiert worden.

Gegen ihren Rauswurf aus Heimen und die drohende Räumung der einstigen Gerhart-Hauptmann-Schule demonstrieren am Samstag ab 12 Uhr die Flüchtlinge vom Oranienplatz dortselbst. Ab 14 Uhr geht es zur Kundgebung gegen "10 Jahre Frontex" am Brandenburger Tor. (sum)

In Pankow sorgt man sich vor allem, weil schon jetzt die Rechten gegen die geplanten Containersiedlungen mobilmachen. „Die NPD ist in Buch ohnehin sehr aktiv, auch ohne Flüchtlingsunterkunft“, sagte Bezirksstadträtin Christine Keil (Linke). Tatsächlich macht die rechtsextreme Partei bei Facebook bereits Stimmung und fordert die Bürger auf, sich „Volkstod und Überfremdung“ entgegenzustellen.

In Marzahn-Hellersdorf ist die rechte „Bürgerbewegung Hellersdorf“ wiederaufgetaucht, die bereits im Sommer 2013 gegen ein neues Flüchtlingsheim agitiert hatte. Auf ihrer Facebook-Seite bezeichnet sie nun Czaja als „Spast“ und behauptet, binnen 24 Stunden 450 Unterschriften bei Anwohnern gegen das Containerdorf in der Schönagelstraße gesammelt zu haben. Diese hat ein Anwohner am Donnerstagabend in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Bezirksbürgermeister Stefan Komoß (SPD) übergeben, bestätigte eine BVV-Mitarbeiterin. Der Mann habe zuvor in einem Antrag Fragen zum Containerdorf gestellt. Die Sitzung sei sehr gut besucht gewesen von Anwohnern der Schönagelstraße.

Resolution des Bezirks

Vor der Tür demonstrierten laut Polizei sieben „rechte“ Demonstranten unter dem Motto „Nein zu den Asylcontainern“, 15 „Linke“ hielten dagegen. Als Reaktion auf diese erwartbaren Auseinandersetzungen um die Container verabschiedeten alle Fraktionen die Resolution „Für Menschen in Not“. Sie beteuert, „der Bezirk geht offen und tolerant auf die geflüchteten Menschen zu“, nehme aber gleichzeitig „Skepsis und Sorgen von Bürgerinnen und Bürgern ernst“.

Insgesamt zeigte sich Komoß am Freitag „froh und erleichtert“ über die Bürgerreaktionen. „Es waren zwar Rechtsradikale da, aber sie haben nicht gestört“, sagte er der taz. Natürlich gebe es Verunsicherung unter den Bürgern, er habe nach der Sitzung im Gespräch auch „eine Reihe von Zusagen“ gemacht. So würden die Anwohner kommende Woche brieflich über die Sachlage informiert und demnächst persönlich zur einer Infoveranstaltung eingeladen. Zudem werde es eine vom Senat finanzierte Bürgerberatung im Stadtteilzentrum Marzahn-Mitte geben.

Wenig begeistert von Czajas Plänen ist man auch in Steglitz-Zehlendorf, das bislang sehr wenige Flüchtlinge unterbringt und nun zwei Containerdörfer bekommt. Hier dreht sich der Ärger darum, dass der Standort am Osteweg „ohne vorherige Rücksprache mit dem Bezirk ausgewählt“ wurde, wie die Integrationsbeauftragte des Bezirks, Marina Roncoroni, der taz bestätigte. Das geplante Containerdorf liege sehr nah an einem erst im Sommer eröffneten Heim in der Goerzallee, erklärte sie - und die Anwohner dort hätten nun wohl Angst vor einer zu hohen Konzentration von Flüchtlingen in ihrer Umgebung.

Ähnlich sieht es in Treptow-Köpenick aus, wo 400 Flüchtlinge in der Alfred-Randt-Straße untergebracht werden sollen, obwohl rund 500 Meter weiter bereits eine Unterkunft für 300 Menschen besteht. Auch hier macht eine Initiative namens „Nein zum Heim in Köpenick“ rechte Stimmung. Die „Bürgerinitiative“ versuchte auf dem Onlineportal openpetition.de Unterschriften zu sammeln. Allerdings wurde die Petition mit der Begründung gesperrt, dass „wiederholt rassistische Übergriffe auf Asylsuchende begangen“ wurden.

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