Unternehmensberater über Primark: „Da bleibt kaum etwas übrig“

Egal, ob die Hilferufe in Textilien echt waren – Primark muss die Bedingungen bei seinen Zulieferern verbessern, sagt Unternehmensberater Markus Löning.

Primark ließ auch im 2013 eingestürzten Fabrikgebäude Rana Plaza in Bangladesch fertigen. Bild: reuters

taz: Herr Löning, in Kleidungsstücken der Textilkette Primark haben Käufer eingenähte Hilferufe entdeckt, die auf die schlechten Arbeitsbedingungen in den Fabriken hinweisen. Die Firma vermutet eine Irreführung und Fälschung durch Kritiker. Reicht diese Reaktion?

Markus Löning: Nein, das Unternehmen sollte die Vorwürfe ernst nehmen. Schließlich müssen wir davon ausgehen, dass die Löhne in manchen Zulieferfabriken tatsächlich zu niedrig und die Überstunden zu lang sind.

Wie kommen Sie zu dieser Vermutung?

Wenn ein Hemd im Primark-Geschäft nur 5 Euro kostet, ist es relativ unwahrscheinlich, dass die Beschäftigten in Bangladesch, Indien oder China ausreichende Löhne erhalten. Man muss ja vom Endpreis die Umsatzsteuer abziehen, Kosten wie Geschäftsmiete, Transport und Vertrieb, außerdem den Gewinn der Firma. Dann bleibt für die Arbeiterinnen und Arbeiter in der Herstellung kaum etwas übrig.

Die Kampagne für Saubere Kleidung räumt ein, dass Primark versucht, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Offiziell bekennt sich das Unternehmen zum Existenzlohn, der den Arbeiterfamilien nicht nur Essen und Wohnung, sondern auch Altersvorsorge und Bildung ermöglichen soll. Was kann der Konzern mehr tun?

Jedes Unternehmen, das auf globale Zulieferer angewiesen ist, muss mit diesen in einen intensiven Austausch treten. Es kann in den Lieferbedingungen zum Beispiel existenzsichernde Löhne vorschreiben. Die europäischen Unternehmen sollten die Fabriken aber auch dabei unterstützen, ihre Verpflichtungen einzuhalten.

Ist eine zuverlässige Kontrolle überhaupt möglich, wenn man in einer Firmenzentrale in Düsseldorf oder Dublin sitzt und eine Fabrik irgendwo in Indien überprüfen will?

Selbst ein scheinbar einfaches Produkt wie ein Oberhemd kann aus 40 bis 50 Teilen bestehen, die von zahlreichen Sublieferanten produziert werden. Die Produktionsketten sind deshalb komplex und verschachtelt. Den Auftraggebern bleibt nichts übrig, als bei der Endfertigung anzusetzen und schrittweise zurückzugehen. Das ist ein mühevoller Prozess. Aber er ist notwendig.

54, arbeitet als Unternehmensberater für Menschenrechte. Bis 2014 war der FDP-Politiker Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechte.

In vielen Zulieferfabriken dürfen die Beschäftigten nicht über Lohn verhandeln. Wäre es nicht am wichtigsten, zu erlauben, dass sie sich gewerkschaftlich zusammenschließen?

Ja, denn die wirksamste Kontrolle ist die, die die Beschäftigten vor Ort in ihrem eigenen Interesse ausüben.

Sollten Textilhändler wie H&M, C&A, KiK und Primark überhaupt Aufträge an Zulieferfirmen in China erteilen, wo unabhängige Gewerkschaften verboten sind?

Die gute Nachricht: In China sieht man Bewegung. Wenn sich die Arbeiter zusammenschließen, machen die Firmen und die Partei Zugeständnisse. So haben die chinesischen Beschäftigten, die kürzlich in einer Schuhfabrik streikten, ihre Forderungen anscheinend durchgesetzt. Die europäischen Firmen sollten die Beschäftigten in solchen Auseinandersetzungen unterstützen.

CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller will ein neues Textilsiegel für faire Produktion einführen. Eine gute Idee?

Solch ein No-Problem-Stempel wird der komplexen Lage in der globalisierten Welt nicht gerecht. In korrupten Staaten wäre er nur von begrenztem Wert, denn Unternehmen können dieses Zertifikat jederzeit kaufen. Ich sehe keine Alternative dazu, dass die Auftraggeber mit ihren Zulieferern eng zusammenarbeiten und Arbeitnehmervertretungen unterstützen.

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