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Untersuchung des VCDAutos machen Schulwege unsicher

Gefahrlos zur Schule zu kommen, das ist für viele Kinder noch immer schwierig. Wo die größten Gefahren lauern – und wie die Straßen sicherer würden.

Keine Rücksicht auf Verluste, und erst recht nicht auf die Kinder Foto: Michael Gstettenbauer/imago

Berlin taz | Der Straßenverkehr auf dem Schulweg ist für viele Kinder noch immer gefährlich – oft sind es Autos, die eine Bedrohung darstellen. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung, die der ökologische Verkehrsclub VCD am Donnerstag zusammen mit der Initiative für sichere Straßen veröffentlicht hat. Bundesweit haben die Organisationen 21.083 Gefahrenstellen ausgewertet.

In den meisten Fällen ging die Gefahr von motorisierten Fahrzeugen aus. Autos wurden an 85 Prozent der Stellen und so mit deutlichem Abstand als größte Bedrohung genannt. Mit 48 Prozent waren Lkws die zweitgrößten Gefährder. Besonders gefährdet wiederum waren Fahr­rad­fah­re­r:in­nen und Zufußgehende.

Für die Untersuchung konnten Eltern, Kinder und andere interessierte Menschen dem VCD melden, auf welchen Schulwegen welche Gefahren lauern. Zwischen Juni und August trugen die Teil­neh­me­r:in­nen 5.346-mal gefährliche Orte in eine Onlinekarte ein. Die flossen zusammen mit Meldungen, die schon in den letzten fünf Jahren auf der Plattform schulwege.de eingegangen waren, in die Auswertung ein.

So kamen die Organisationen auf insgesamt 54.272 Meldungen, die sich auf 21.083 Gefahrenstellen bezogen – einige Orte kamen also in mehreren Meldungen vor. Die Teil­neh­me­r:in­nen stammen aus allen 16 Bundesländern, die mit Abstand meisten Meldungen – 24.745 – wurden in Nordrhein-Westfalen gemacht.

Häufigste Todesursache im Verkehr: zu schnelles Fahren

Online konnten die Befragten auch angeben, welche Art der Gefahr sie wahrgenommen haben und wie genau die Gefahr zustande kam. In allen Kategorien waren Mehrfachnennungen möglich. Demnach wurde es am häufigsten dann gefährlich, wenn sich Fahrende fehlverhalten, etwa falsch parken. Oder dann, wenn die Ver­kehrs­teil­neh­me­r:in­nen keine gute Sicht hatten – an Kurven, Einmündungen, durch Büsche oder andere Hindernisse. Geschwindigkeitsüberschreibungen lösten in 23 Prozent der Fälle eine Gefahrensituation aus.

Kinder zählen im Straßenverkehr zu den Gruppen, die besonders gefährdet sind. Autos wachsen im Durchschnitt, ihre Motorhauben werden immer höher – Kinder werden mit immer höherer Wahrscheinlichkeit übersehen. Außerdem gilt: Je höher die Motorhaube, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder lebensbedrohlich verletzt werden, wenn ein Auto sie mit der Motorhaube erfasst.

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Die häufigste Todesursache im Straßenverkehr ist zu schnelles Fahren, wie die Verkehrsunfallstatistik der Versicherung Allianz Direct für das Jahr 2023 zeigt. Auf Schulwegen ereigneten sich 2024 laut der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung mehr als 87.000 Unfälle. So bringen immer mehr Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule, wie aus Umfragen des ADAC hervorgeht. Ein Teufelskreis: Sie wollen ihren Nachwuchs vor Gefahren im Verkehr schützen – und schaffen selbst mehr Verkehr, der potenziell gefährlich werden kann.

„Wir brauchen Tempo 30 innerorts, eine sichere, kinderfreundliche Infrastruktur und Schulstraßen, wenn wir die Vision Zero – also null Tote im Straßenverkehr – erreichen wollen“, fordert deshalb Anika Meenken, VCD-Sprecherin für Radverkehr und Mobilitätsbildung. Sogenannte Schulstraßen sind morgens zu Schulbeginn und nachmittags, wenn die Schule endet, für Kraftfahrzeuge gesperrt.

Berlin dreht Tempo 30 zurück

Kommunen können zum Beispiel vor Schulen, Kitas oder Spielplätzen einfacher Tempo 30 einführen, seit 2024 die Reform des Straßenverkehrsrechts in Kraft getreten ist. Dennoch geht der Berliner Senat derweil einen anderen Weg. Auf 22 Hauptstraßen galt seit einigen Jahren Tempo 30, nun aber will die Stadt dort zurück zu Tempo 50. Die Luft dort war so schadstoffbelastet, dass 2019 das schärfere Tempolimit Abhilfe schaffen sollte.

Tatsächlich wurde die Luft besser – Tempo 30 sei deshalb nicht mehr nötig, sagt der Senat. Dabei zeigt eine Auswertung des Fußverkehrsvereins FUSS, dass die Straßen dort mit Tempo 30 auch deutlich sicherer wurden. 2018 gab es demnach auf den 22 Straßen 157 Verkehrsunfälle mit Verletzten. 2024 waren es 100. Die Gesamtzahl der Unfälle in Berlin ging deutlich weniger zurück. Laut FUSS soll sich die Hauptstadt an Metropolen wie Paris oder Helsinki halten, wo kaum noch Tempo 50 gilt. In Helsinki starb dadurch 2024 keine einzige Person im Straßenverkehr.

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19 Kommentare

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  • Genauso wie Kinder nichts auf Autobahnen spielend zu suchen haben, haben Autos nichts in der Nähe von Schulen und Spielplätzen zu suchen.



    Punkt!

  • da kindergleichberechtigte Verkehrsteilnehmer sind wie auch Autos müssen für Sie gleiche Rechte auf den öffentlichen Raum gelten. Da ist schon in diesem Land ungleich größere öffentliche Räume für Autos gibt, finde ich es nur angemessen und fair, wenn gefälligst ein Lebensräumen von Kindern, sprich in Straßen, um Schulen und Spielplätze zu drumherum, eben gefälligst keine Autos, mal zur Abwechslung fahren dürfen. Die Menschheit wird es überleben, wenn Autos nicht überall fahren dürfen und der Individualverkehr Eben halt auch mal in Wertschätzung unserer zwar lobbylosen aber dennoch existierenden Kinder reguliert wird.

    Wenn jährlichgenauso viele Kinder ohne Eigenschuld von Geflüchteten getötet würden, statt durch Autoverkehr, hätte man doch auch schon längst reglementiert und reguliert.

    • @Edda:

      Bitter wahr.



      Die Abstumpfung bei unfalltoten Kindern kann auch wieder ausgeknipst werden und die Wut an. So startete die Verkehrsreform in den Niederlanden, und die sind richtig weit gekommen!

  • "Laut FUSS soll sich die Hauptstadt an Metropolen wie Paris oder Helsinki halten, wo kaum noch Tempo 50 gilt. In Helsinki starb dadurch 2024 keine einzige Person im Straßenverkehr."

    Sicher wurde das auch damals im Artikel gesagt, dass man z.B. Berlin mit seinen fast 4 Millionen Menschen mit Helsinki mit seinen fast 700.000 Menschen vergleichen sollte.

    Aber abgesehen davon, frage ich mich immer bei:



    "Die häufigste Todesursache im Straßenverkehr ist zu schnelles Fahren"

    Halten die sich nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzung oder ist einfach der Bereich z.B. vor der Schule nicht für das was dort vorzufinden ist passend ausgeschildert bzw. die "Umgebung" schuld?

    Ich habe die Statistik überflogen und Kindergärten haben überraschenderweise nur 0,77 Unfälle vs 1,8 Unfälle bei 400 Meter Umkreis, obwohl da sicher jedes Kind hingefahren wird (und viel verkehr sein könnte)... könnte sein, dass dort alles Verkehrsberuhigt ist oder andere Gründe hat, dass wäre doch interessant zu wissen ob Schulen häufig nicht "gut" für Autos gelegen liegen.

  • Wieder mal eine Studie zu einem Thema, zu dem keine Studie nötig ist. Wo Gefahren lauern ist bekannt, lernt jeder spätestens in der Fahrschule. Leider besucht man diese Schule erst, wenn man aus der Schule für's Leben wieder raus ist. Womöglich zu spät, denn die Erziehung der Kinder lässt allgemein zu wünschen übrig, genau wie die Fürsorge der Eltern.

    Der Straßenverkehr wird sich von heute auf morgen nicht ändern lassen. Der Unterricht in den ersten Tagen nach der Einschulung aber schon. Auch Kinder sind Teilnehmer am Straßenverkehr… das sollten wir bei aller Diskussion über Gefahren durch andere berücksichtigen. Gerade Kinder gefährden sich oftmals auch selbst… wenn man so die ganzen Erstklässler morgens und nachmittags allein durch die Straßen hüpfen sieht. ;)

    • @EDL:

      Klar..die Kinder sind selber halt selber Schuld.

      ..und wenn Radfahrer von Autos getötet werden, dann heißt es aus der cdU: die Radfahrer (und nicht etwa die schuldhaften Verursacher in ihre Autos) sollen doch besser geschult werden..und Helme tragen.

      Und wenn ein Auto mit einem Menschen kollidiert, dann heißt es: "Auto " ERFASST" Mensch..wenn allerdings ein Radfahrender mit einem Auto kollidiert, dann "PRALLT" (dpa)..oder "KRACHT" (Mopo) er/sie mit dem Auto zusammen (finde den Fehler)..







      ..um mal nur ein paar Beispiele für das auf grausame art sehr verbreitete:

      ---VICTIMBLAMING---

      zu benennen.

      Und wenn sie Meinung hören wollen: Verkehrsteilnehmer die derart ignorant mit Leben und Gesundheit Anderer umgehen, sind weder verfassungsrechtlich noch moralisch geeignet ein Auto zu fahren..

    • @EDL:

      Und wer sollte da sein Verhalten ändern, ändern können? Die süßen Kinder oder doch Autofahrende mit überhöhter Geschwindigkeit und zwei Tonnen Stahl?



      (wer Kinder tollen sieht, nimmt besser sofort den Fuß vom Gas und auf die Bremse).

    • @EDL:

      Während man rücksichtslose und ignorante volljährige Autofahrer nicht mal erziehen kann, problematisieren Sie aber kleine Kinder, die man besser erziehen soll, als es nicht mal bei Erwachsenen möglich ist? Man kann Kinder nicht zu allem erziehen, wozu Erwachsene fähig sind, weil es nun mal keine kleinen Erwachsenen sind.



      Bitte informieren Sie sich ganz dringend über frühkindliche Entwicklung und was man von Kindern überhaupt aufgrund ihrer physiologischen und kognitiven Entwicklungsstufe erwarten kann und was definitiv nicht. Vielleicht möchten Sie sich auch noch darüber beschweren, dass Kinder halt gefälligst schneller wachsen sollen, wenn man sie zwischen den Autos nicht sieht. Und nehmen Sie eigentlich auch an, dass wenn alle Kinder super gedrillt und dressiert wären fürs Überleben im hauptsächlich testosterongesteuerten 1-2 t Blechgefahr im Straßenverkehr, das es dann keine Unfälle mehr geben würde mit Kindern?

      Es gibt ja auch Leute, die meinen dass Menschen, die Opfer von Straftaten werden, selbst schuld sind, wenn sie sie durch eigenes richtiges Verhalten, nicht verhindert haben…

      Wenn schon Autos in Schulgegenden fahren dürfen, haben DIE sich gefälligst Kindern unterzuordn

    • @EDL:

      Oh wie sie recht haben,

      ich bin in einem Dorf nahe der Stadt aufgewachsen, bevor der Autobahnzubringer gebaut wurde, quälte sich der ganze Verkehr durchs Dorf. Meine Mutter hat mich ganz einfach erzogen, bleib auf dem Gehweg, kreuze die Straße nur auf dem Zebrastreifen und zwar dann wenn die Autos stehen.

      Dass hat damals hervorragend funktioniert, ich kann mich



      an keinen Unfall erinnern, weil alle Kinder damals so erzogen wurden.

      Vielleicht war früher ja nicht alles schlecht.

      P.S.

      Damals war noch Tempo 50 erlaubt !

  • Weder Autos noch LKWs sind handelnde Akteur:innen, sondern die Menschen, die hinter dem Lenkrad sitzen. Der Beitrag weist viel zu wenig auf deren Verantwortung hin.

  • Ich wohne direkt gegenüber einer Schule. Leider sind es nicht nur die Autofahrer die sich fahrlässig verhalten, sondern auch die Schüler. Rote Ampel? Interessiert mich nicht. Handy bedienen während des Fahrradfahrens? Selbstverständlich, man könnte ja was verpassen. Sich umschauen bevor man über die Straße geht? Die Anderen sollen doch aufpassen. Fast täglich kommt es zu Beinaheunfällen - die aber wegen aufgebrachter Verkehrspoller selten mit überhöhter Geschwindigkeit zu tun haben.

    • @Zven:

      Und auch an Sie: All das, was sie aufzählen, können sie nicht mal Erwachsenen beibringen und verlangen es von Kindern?

    • @Zven:

      Das erlebe ich an meinem Busbahnhof jeden Morgen, Radler mit Kopfhören die aufs Handy starren und sorglos über die Kreuzung radeln, würden die anderen nicht so auf sie acht geben, gäbe es da jeden Morgen Unfälle.

  • Hier sind Kommentare erlaubt. Nach der neuen Richtlinie der Kommentarfunktion „ greifen wir aktuelle Streitfragen auf und laden dazu ein, sich aktiv einzubringen“ müsste das aber nicht sein. Bei dem Thema gibt es, zumindest im TAZ Publikum, aber keine zwei Meinungen. Gefordert wird gleich, wie in der Untersuchung, eine Reduktion des MIVs bis hin zu einem Verbot der SUVs, gepaart mit kleinen Anekdoten und Unverständnis.



    Um nicht missverstanden zu werden, der Individualverkehr muss weniger werden. Dem steht aber viel entgegen.

    • @fly:

      Was steht denn dem entgegen? Es geht um Temporeduzierung in Ortschaften und nicht darum PKWs zu verbieten. Sichere Schulwege sollten eine Selbstverständlichkeit sein.

    • @fly:

      Wieso soll es keine zwei Meinungen geben beim Thema motorisierten iV bei Lesern von Taz.de?



      Als Leser der TAZ, neben dem Handelsblatt bin ich noch leidenschaftlicher Auto, Motorrad und Rennbootfahrer.



      Selbstredend sind für mich Geschwindigkeitsbeschränkungen und deren strikte Überwachung wichtig, jedoch kann ich über deren Höhe durchaus diskutieren.



      Dies bedeutet natürlich nicht das ich grundsätzlich gegen ein generelles Tempolimit bin denn für das Ausleben der Geschwindigkeit ist die öffentliche Straße absolut ungeeignet. (Dafür kann man zB auf den Nürburgring fahren und sich dort nach Herzenslust austoben.

      Übrigens habe ich auch nichts gegen Tempo 30 in der Stadt, aber was gegen ÖPNV!



      Keine richtigen Ledersitze, schlechte Musik und ganz einfach Publikum die ich nich brauche!



      Deshalb laß uns diskutieren!

    • @fly:

      Ich lese auch hier noch verblüffend _viel Verständnis dafür,



      dass Autofahren Tausende Verkehrstote jährlich erzeugt,



      dass Kinder nicht mehr auf der Straße spielen, wie es frühere Generationen taten



      dass ökologische und ökonomische Kosten von Autos von der Allgemeinheit getragen werden müssen, offen und verdeckt.

      Ja, die Diskussion dreht sich hier und wird sich drehen. Doch ist nicht eben auch jeder so weit wie die taz, die wenigstens mal Knoflacher, Knie und andere zu Wort kommen lässt und keine Hochglanzanzeigen von Autofirmen hat.

      Können wir uns einigen auf: Ziel ist, dass (fast) niemand in Deutschland ein (privates) Auto braucht?

      Damit 85-jährige nicht mit einer altersnormalen Sehschwäche auf dem Dorf abgehängt werden, u.a.



      Sondern eben ihren Bus zum nächsten Rewe und zum Unterzentrum haben.



      Wenn wir aufhören jährlich die -zig Milliarden der Allgemeinheit in Auto und Flug zu stopfen, hätten wir das Startkapital für das Projekt.



      Und Kinder könnten wieder in Ruhe zur Schule radeln, was die Niederlande ja auch halbwegs hinbekommen hat, in jahrzehntelanger zielgerichteter Arbeit.

  • Häufigste Todesursache im Straßenverkehr:



    Zu schnelles Fahren!

    Um den Gasfüßen ihre freie Entfaltung weiterhin zu garantieren, ist der Politik und den Behörden kein Argument zu billig - wie z. B. hier das mit der sauberen Luft.

    • @Erfahrungssammler:

      Das Wegner-"Argument" ist so offen widerlogisch, dass die Ideologie dahinter zutagetritt.



      Wegner hat damals seine fehlenden Wahlkampfargumente durch "Auto" versucht zu ersetzen und hat nun die Realität immer noch nicht akzeptiert. Das ist Ideologie. Leider auf Kosten von Gesundheit und Kinderwohl.