Untersuchungsausschuss Asse II: Endlagerpapst Kühn bereut

Der früher für das Endlager Asse II zuständige Wissenschaftler Klaus Kühn bereut sein Vorgehen. Heute würde er keine radioaktiven Abfälle dort einlagern.

Professor Dr. Ing. Klaus Kühn vor dem Untersuchungsausschuss in Hannover. Bild: dpa

HANNOVER taz | Der deutsche Endlagerpapst Klaus Kühn hat vor dem Asse-Untersuchungsausschuss des niedersächsischen Landtages Auskunft über ein misslungenes Lebenswerk gegeben. Der 71-jährige Endlagerexperte, der drei Jahrzehnte in der und für die Asse geforscht hat, gestand am Donnerstagabend nach fünfstündiger Befragung ein: "Wenn ich nach heutigem Wissensstand noch einmal zu entscheiden hätte, würde ich keine radioaktiven Abfälle dort einlagern."

Dem 71-jährigen Bergbauingenieur waren gefährliche Schwachstellen des Salzbergwerks Asse II bereits in den Sechzigerjahren bekannt. Bei einer Untertagedeponie müsse zwischen dem umgebenden Gestein und dem Endlagerbergwerk "200 Meter Salz in alle Richtungen vorhanden sein". In der Asse waren es aber nur 20 Meter. "Das war die Schwachstelle der Asse, mit der wir von Anfang an zu leben hatten", meinte Kühn.

Von einem Absaufen der Grube sei zwar kein Experte ausgegangen, bei Sicherheitsanalysen habe man einen Laugeneinbruch aber nie ausgeschlossen, sagte er weiter. Als dann 1988 der bis heute anhaltende Laugenzufluss in die Asse begann, ließ Kühn die Öffentlichkeit allerdings zunächst im Dunkeln. "Wir haben den Laugenzutritt nicht unmittelbar 1988 veröffentlicht", sagte er. Dass der Asse-Betreiber erst 1996 über den Zufluss von täglich rund 12.000 Litern informierte habe, wollte er "weder bestätigen noch dementieren".

Der Ingenieur, der Deutschland einst in vielen internationale Gremien vertrat, musste sich Bezeichnungen wie "Versuchsendlager" oder "Forschungsbergwerk" vorhalten lassen, mit denen er die erste deutsche Atommüllkippe in der Asse jahrelang verharmlost hatte. Als "psychologischen Fehler" bezeichnete Kühn selbst die in der Asse angewandte "Abkipptechnik", die dazu führte, dass die Fässer wahllos übereinander liegen. Die Medien freuten sich über die entsprechenden Fotos.

Nach Angaben von Kühn hielt man in den 60er-Jahren das Bergwerk für "mindestens hundert Jahre standsicher". Aktuelle Gutachten schließen heute einen Einsturz des Grubengebäudes nur noch bis 2020 aus, sofern die Laugenzuflüsse nicht weiter ansteigen.

Von Gefahren für die Umwelt durch die atomare Altlast wollte der Zeuge dennoch nichts wissen. Man könne das Bergwerk immer noch sicher verschließen. "Die Genehmigungsbehörde wird nur ein Schließungskonzept akzeptieren, bei dem die gesetzlichen Grenzwerte auch eingehalten werden", versicherte er.

Der Historiker Detlev Möller, als Sachverständiger gehört, zählte Kühn zu jenem kleinen Kreis fachlich Zuständiger, die Asse als vorbildliche Anlage verkauft und dabei "die Republik genarrt" hätten. Möller berichtete von den wirtschaftlichen Vorbehalten, die die deutsche Energiewirtschaft noch Ende der 60er-Jahre wegen befürchteter Entsorgungskosten gegen den AKW-Bau hatte. Das Endlager Asse sei dann die "nationale Landebahn der Kernenergie in Deutschland" gewesen.

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