Untersuchungsausschuss zur NSU: Noch mehr vergessene Akten

Das Land Berlin soll wichtige NSU-Akten zurückgehalten haben. Wegen anderer vergessener Akten tritt in Sachsen-Anhalt der Chef des Landesverfassungsschutzes zurück.

Wie viele Akten zur NSU sind noch verschwunden? Bild: dapd

BERLIN dpa/dapd | Der Chef des Landesverfassungsschutzes von Sachsen-Anhalt, Volker Limburg, tritt zurück. Das teilte das Innenministerium am Donnerstag mit. Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) sei einer entsprechenden Bitte Limburgs nachgekommen. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) habe zugestimmt, ihn in den Ruhestand zu versetzen.

Am Vortag hatte Stahlknecht mitgeteilt, dass die Sicherheitsbehörden Sachsen-Anhalts nun doch eine Kopie der Akte des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) zur Vernehmung des NSU-Terroristen Uwe Mundlos in ihren Archiven entdeckt hätten.

Das Dokument sei zunächst nicht gefunden worden, da sie in der Rubrik „Texte und Tonträger von Skinhead-Gruppierungen“ abgelegt war, erklärte Stahlknecht am Mittwoch in Magdeburg.

Aktenpanne in Berlin

Der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags beklagt eine weitere Aktenpanne. Erst jetzt habe der Ausschuss erfahren, dass im Land Berlin bereits 2002 ein Hinweis auf den möglichen Aufenthaltsort der untergetauchten rechtsextremen Terrorzelle vorgelegen habe, sagte der Unionsobmann, Clemens Binninger (CDU), am Donnerstag am Rande einer Ausschusssitzung in Berlin. Das Land habe diese Information aber nicht an die parlamentarischen Aufklärer weitergeleitet. Details zu dem Hinweis und seiner Quelle nannte Binninger nicht.

Der Grüne Wolfgang Wieland sagte, der Vorgang müsse dringend aufgeklärt werden. Entweder habe die Berliner Innenverwaltung nichts von dem Hinweis gewusst oder aber ihn bewusst verschwiegen. „Es ist ein weiterer “, sagte Wieland. Die Ausschussmitglieder seien inzwischen gewöhnt, einen Schlag in die Magengrube zu bekommen.

Zuletzt hatte eine Aktenpanne beim Militärischen Abschirmdienst für Aufsehen gesorgt. Der Geheimdienst der Bundeswehr hatte demnach bereits in den 90er Jahren eine Akte über den späteren NSU-Terroristen Uwe Mundlos angelegt. Auch das Verteidigungsministerium - und Ressortchef Thomas de Maizière (CDU) - wussten seit Monaten von der Existenz der Unterlagen. An die Öffentlichkeit und den Untersuchungsausschuss gelangte die Information aber erst am Dienstag.

Petra Pau von den Linken sagte, sie sei nicht länger bereit hinzunehmen, dass Akten erst dann übermittelt würden, wenn der Ausschuss sie identifiziert habe. Pau appellierte an die Bundesregierung und die Landesregierungen, ihre Aktenbestände noch einmal zu durchforsten.

Aufklärung zur MAD-Akte Mundlos

Auch der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) forderte weitere Aufklärung von der Bundesregierung zur MAD-Akte Mundlos. „Das Thema ist für uns noch nicht erledigt.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe zugesagt, dass die Regierung den Untersuchungsausschuss uneingeschränkt in seiner Arbeit unterstütze. Darauf verlasse sich das Gremium.

Im Oktober will sich der Ausschuss in einer Sondersitzung mit den Ungereimtheiten rund um die Geheimdienstakte beschäftigen. Die Abgeordneten wollen dazu Vertreter des MAD und des Verteidigungsministeriums befragen.

Eva Högl (SPD) sagte, sie erwarte schon vor dieser Sitzung eine Klarstellung von de Maizière. Eine Befragung des CDU-Politikers ist vorerst zwar nicht geplant. Högl betonte aber: „Natürlich behalten wir uns vor, auch den Minister im Untersuchungsausschuss zu hören.“

Der CDU-Politiker Binninger rief zur Fairness auf. Der Ausschuss habe bereits im April einen Vermerk zu der MAD-Akte erhalten - „allerdings in einem Aktenberg und ohne gesonderte “. Deshalb hätten ihn die Abgeordneten nicht entdeckt. Ein Hinweis aus dem Verteidigungsministerium wäre hilfreich gewesen. Die Panne werde hoffentlich allen eine Lehre sein, mahnte er. „Wir sollten den Vorfall aber nicht weiter skandalisieren.“

Der Untersuchungsausschuss des Bundestages befasst sich seit Januar mit der Mordserie der rechtsextremen Terrorzelle NSU. Mindestens zehn Morde sollen auf das Konto des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ gehen. Am Donnerstag stand in dem Gremium der Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn im Mittelpunkt.

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