Urlaub auf den Balearen: Suche nach dem anderen Mallorca

Putzfraueninsel- das war gestern. Längst haben sich Angebot und Gästeschar auf der Baleareninsel ausdifferenziert

Die wilde Landschaft der Tramuntana im Winter. Bild: dpa

Der herbstliche Wind streicht über einen Strand, der nun den Hunden und ihren Herrchen gehört. Der Sparmarkt hat die Saison beendet, genauso wie die direkt am Meer gelegene Polizeiwache. Im Balneario No. 6 sitzen nur mehr vier vergessene Kegelbrüder. In den Wind mischt sich der größte Hit des weltberühmten Discofoxkünstlers Hugo Bär: „Sieben Jahre schlechter Sex“, klagt er. Nein, der Ballermann ballert nicht an diesem Tag.

Überhaupt ist der Ballermann nicht mehr, was er war. Die Inselregierung hat dafür gesorgt, dass der Partytourismus sehr viel gesitteter abläuft, und die Eimer verboten, aus denen früher die Sangria mit Strohalmen gesaugt wurde. Sie hat die Lautstärke eingedämmt und erste Billighotels abgerissen. Vor allem hat es Mallorca geschafft, neben dem bekannten Klischee ein neues zu etablieren.

Dieses neue Klischee lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Mallorca ist anders. Anders als der Ballermann oder Magaluf, wo sich traditionell die Briten volllaufen lassen. Anders als die Putzfraueninsel, die die ersten Pauschaltouristen in den sechziger Jahren besuchten.

Kultur: Workshops, Veranstaltungen und Konzerte gibt es in der Finca Sa Taronja, C./Andalucia, 23, Andratx, www.sataronja.net

Restaurant: Vermittlung von Weinseminaren und Winzerbesuchen im Es Balcó, Caro, 7 Santa Catalina, Palma de Mallorca

Jenseits der Touristenhochburgen: Agrotourismus, Fincas, Fincahotels und Landhotels auf Mallorca: www.das-andere-mallorca.de

Die Reise wurde mitorganisiert von "Genusswelten" und Jahn Reisen. Info unter www.die-genusswelten.com. Buchbar über: www.jahnreisen.de

In Andratx, abseits der Touristenströme, kommen an einem Samstagabend Ruheständler aus Nordeuropa mit einer alternativen Szene zusammen, die nach Mallorca gekommen ist, um zu malen, Yoga zu lernen oder sich selbst zu finden. Auf der Bühne in einem renovierten Hühnerstall steht eine kleine, energische Frau und rudert mit den Armen. Tina Horne begrüßt das Publikum auf Spanisch und wechselt dann in ihre englische Muttersprache. Sie will den Eindruck vermeiden, hier seien Usurpatoren am Werk. Sie sagt: „Wir sind das andere Mallorca.“

Das andere Mallorca hört an diesem Abend Debussy und Brahms. „Serenata Berlin“, eine Kooperation mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin (DSO), ist eine der beliebtesten Reihen, die Horne in Sa Taronja organisiert. Eine unter vielen: Der Kalender ist voll mit Veranstaltungen. Das Gelände, eine umgebaute Geflügelmastanlage, beherbergt Ateliers und Kursräume, Tanzsaal, Dunkelkammer und ein Biorestaurant.

„Das Ballermann-Mallorca ist immer noch das erste Bild, das die meisten Menschen von der Insel haben“, sagt Horne ein paar Tage später, während sie ihren Matetee schlürft. Aber es gebe „ein anderes Mallorca hinter der Kirmes für die Massen“. Dieses andere Mallorca, sagt sie, ist zwar nicht das Mallorca der Mallorquiner, es wird getragen von Zugezogenen. Beispielsweise das Es Balcó. Gelegen am Rande der Altstadt der Hauptstadt Palma wird hier eine Küche serviert, in der die rustikalen mallorquinischen Traditionen fantasievoll weiterentwickelt werden. Wer bei Holger Lüttgen ein Weinseminar bucht, der isst zu den eher erdigen Tropfen, die das Inselklima hergibt, in Rotwein geschmorte Kalbsbäckchen.

Lüttgen, der zur einen Hälfte in seiner Heimatstadt Köln, zur anderen auf Mallorca lebt, vermittelt Weinseminare, Besuche bei Winzern oder Kurse bei Jörg Klausmann, den die Inselpresse nur den „Promikoch“ nennt. Außerdem bringt Lüttgen Touristen zur berühmten Mandelblüte im Januar oder eben zum Klassikkonzert in der Kulturfinca Sa Taronja.

„Was ich mache, das gab es bisher noch nicht auf der Insel“, behauptet Lüttgen. Seine Zielgruppe sind Menschen, „die das Besondere und eine gewisse Exklusivität schätzen“, seine Firma hat er „Genusswelten“ getauft. Man könnte auch sagen: Lüttgen hat jenem vielbeschworenen anderen Mallorca einen institutionalisierten Zugang verschafft.

Das ist längst fällig: Mallorca , das vom Tourismus abhängig ist, muss sein Angebot ausdifferenzieren. Nun, da die spanische Wirtschaftskrise auch die Insel erfasst hat, wurde Anfang Dezember ein neues Arbeitslosenhoch vermeldet. Der klassische Pauschaltourismus stagniert, in diesem Sommer reisten erstmals mehr Deutsche in die Türkei als auf die größte Baleareninsel. Viele Hotels sind veraltet und fällige Infrastrukturmaßnahmen stocken, so die lange geplante Umgestaltung der Playa de Palma, der ein Gutteil der billigen Hotels für die Partytouristen zum Opfer fallen soll.

Winterstimmung auf der Insel. Bild: dpa

Doch die Lokalpolitik ist handlungsunfähig, geschüttelt von Korruptionsskandalen und Koalitionsstreitigkeiten. Mancher Politiker sitzt im Gefängnis, andere stehen unter Verdacht. Nirgendwo ist Mallorca so sichtbar zum Erliegen gekommen wie auf der Baustelle des neuen Kongresszentrums, mit dem tagende Konzerne und Wissenschaftler angelockt werden sollten. Wie ein bedrohliches Dinosaurierskelett wacht der Rohbau über den Strand zwischen Palma und Flughafen. Die Bauarbeiten sind eingestellt, der Investor ist abgesprungen. Fertiggestellt werden soll nun mit öffentlichen Geldern. Wann wieder gebaut wird, ist nicht abzusehen.

Sollten die Arbeiten eines Tages weitergehen, Ciro Krauthausen wäre einer der Ersten, der es erfahren würde. Von seinem Büro im fünften Stock kann der Chefredakteur der Mallorca Zeitung das Betongerippe sehen. Er glaubt, „der Leidensdruck ist noch nicht groß genug“. Soll heißen: Noch geht es dem Tourismus gut genug. Mittelfristig aber, klagt er, wird die „tiefe Krise der politischen Elite der Insel“, der „Visionen, Mut und zum Teil auch die Kompetenz fehlen“, zum Problem für die nötige Umorientierung des Tourismus auf Mallorca werden.

Schlägt man seine Wochenzeitung auf - sie ist eine von zwei deutschsprachigen auf der Insel -, stößt man allenthalben auf diese Probleme. Aber auch auf das andere Mallorca, das ein Ausweg sein könnte. „Mallorca bietet eine große Bandbreite, und die hat sich längst herumgesprochen“, behauptet Krauthausen. Doch diese Bandbreite erzeugt neue Probleme. In der Tramuntana, die bald zum Weltkulturerbe erklärt werden könnte, gibt es Streit: Die ganz Reichen wollen ihre Ruhe und sperren deshalb in dem wildromantischen Gebirge Wege, auf denen die nicht ganz so Reichen wandern wollen.

Auch Jürgen Trittin ist regelmäßig auf Schusters Rappen in der Tramuntana unterwegs. Dabei hat er festgestellt, erzählte er der Mallorca Zeitung, „man würde dieser Insel sehr unrecht tun, wollte man sie auf das kurze Stück Schinkenstraße am Balneario sechs reduzieren“. Eine Erkenntnis, die mittlerweile zum Gemeinplatz geworden ist. „Dieses andere Mallorca“, findet Krauthausen, „das ist doch auch schon wieder ein Klischee.“

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