Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Ramelow siegt gegen Geheimdienst

Der Linken-Politiker durfte nicht beobachtet werden. Das stellt Karlsruhe jetzt fest. Generell verbietet es die Überwachung von Abgeordneten nicht.

Hat jahrelang gekämpft und nun gewonnen: Bodo Ramelow, Fraktionschef der Linkspartei in Thüringen. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Beobachtung des Abgeordneten Bodo Ramelow (Linke) durch den Verfassungsschutz verletzte das Grundgesetz. Das entschied jetzt der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts. Die Überwachung von Abgeordneten sei aber nicht generell unzulässig.

„Endlich ist festgestellt, dass ich dreißig Jahre lang verfassungswidrig beobachtet wurde“, erklärte Ramelow am Mittwoch erfreut. Bereits seit 1986 führte das Bundesamt für Verfassungsschutz eine Personalakte über ihn. Zuerst schien er dem Amt als DKP-naher Gewerkschafter verdächtig, später als Spitzenpolitiker der Linken.

Ramelow war zunächst in Hessen für die Bankengewerkschaft HBV tätig, von 1990 bis 1999 war er HBV-Landesvorsitzender in Thüringen. Ab 1999 saß er als Abgeordneter der Linken und ihrer Vorläuferparteien zunächst im Erfurter Landtag, dann im Bundestag. Derzeit führt er im Thüringer Landtag die Linksfraktion.

Dass die Beobachtung Ramelows bis 1999 rechtswidrig war, hat bereits 2009 das Verwaltungsgericht Köln rechtskräftig festgestellt: Ramelow sei weder Mitglied der DKP gewesen, noch sei er für die DKP aktiv gewesen.

Dagegen hat das Bundesverwaltungsgericht 2011 die Beobachtung Ramelows als Abgeordneter der Linken gebilligt. Begründung: Er selbst sei zwar kein Extremist, aber Spitzenpolitiker der Linken, in der es extremistische Kreise geben, die die Demokratie beseitigen wollen. Zu diesen Kreisen gehöre zum Beispiel die Kommunistische Plattform.

Erfolgreiche Beschwerde

Der Verfassungsschutz dürfe beobachten, welche Entfaltungsmöglichkeiten und Freiräume Spitzenpolitiker wie Ramelow den Extremisten in ihrer Partei einräumen. Dagegen erhob Ramelow erfolgreich Verfassungsbeschwerde. Die Richter stellten nun fest, dass seine Rechte als Abgeordneter verletzt wurden und die Beobachtung gegen das Grundgesetz verstieß: Grundsätzlich sichere das Mandat „die Freiheit der Abgeordneten von exekutiver Beobachtung, Beaufsichtigung und Kontrolle“, so das Gericht.

Eine demokratische Kontrolle des Parlaments erfolge vor allem durch die Wähler. Eine Beobachtung von Abgeordneten durch den Verfassungsschutz sei ein Eingriff in die Abgeordnetenrechte, weil sie die betroffenen Politiker stigmatisiere und deren Kontakte zur Bevölkerung erschwere.

Das jetzt ergangene Urteil bedeutet allerdings nicht, dass eine Beobachtung von Abgeordneten grundsätzlich verboten ist: Der Eingriff in das freie Mandat des Abgeordneten könne zum Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gerechtfertigt sein. Hierbei müssten aber strenge Maßstäbe gelten, betonten die Verfassungsrichter und verwiesen auf das (stets geltende) Verhältnismäßigkeitsprinzip. Sonst bestehe „die Gefahr, dass sich die streitbare Demokratie gegen sich selbst wendet“.

In drei Konstellationen sei es zulässig, dass der Verfassungsschutz gewählte Abgeordnete beobachtet: erstens, wenn die Abgeordneten selbst Extremisten seien; zweitens, „vorübergehend“, um festzustellen, ob diese Extremisten seien; drittens, wenn sie als Nichtextremisten in einer Partei tätig sind, in der die Extremisten die Mehrheit haben.

Die Beobachtung Ramelows sei unverhältnismäßig gewesen, weil keiner dieser Fälle vorlag.

Eine Organklage der Linksfraktion aus dem Jahr 2007 wurde allerdings als unzulässig abgelehnt. Die Fraktion habe zu sehr auf Rechte von Ramelow oder des Bundestags abgestellt statt auf eigene Rechte. Eine Ergänzung der Klage 2012 sei zu spät gekommen. (Az.: 2 BvR 2436/10 u. a.)

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