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Urteil des EuGHDiesel-Besitzer können auf Schadenersatz pochen

Der Europäische Gerichtshof stärkt Kundenrechte im Dieselskandal. Bis zu 15 Prozent des Kaufpreises sind als Schadenersatz möglich.

Auf VW kommen weitere Kosten beim Abgasskandal zu, Zentral in Wolfsburg Foto: Jan Huebner/Taeger/imago

Berlin taz | Millionen Besitzer eines Dieselfahrzeugs mit illegaler Abschalteinrichtung können auf eine Entschädigung hoffen. „Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wischt Ausreden deutscher Hersteller vom Tisch und schafft erstmals einheitliche Entschädigungsregeln“, stellt die Anwaltskanzlei Gansel fest, die das Verfahren geführt hat.

Den EuGH-Richtern wurden vom Landgericht Ravensburg drei Fragen zur Klärung vorgelegt. So kann sich das Beklagte Unternehmen VW nicht auf einen Verbotsirrtum beim Einbau einer Abschalteinrichtung berufen. Diese nicht erlaubten Thermofenster haben die Abgassäuberung unter bestimmten äußeren Bedingungen gemindert.

Da die Fahrzeuge vom Kraftfahrt-Bundesamt dennoch eine EG-Typgenehmigung erhielten, beriefen sich Hersteller gerne auf einen Verbotsirrtum. Darin sieht der EuGH jedoch kein Hindernis für Schadenersatzansprüche.

„Ein Automobilhersteller kann sich nicht dadurch von seiner Haftung für eine unzulässige Abschalteinrichtung befreien, dass für den Fahrzeugtyp von der zuständigen nationalen Behörde eine Genehmigung erteilt wurden“, stellen die Richter fest. An dieser Frage sind in Deutschland schon viele Klagen gegen die Hersteller gescheitert. „Dieses Urteil ist ein Durchbruch“, sagt Kanzlei-Chef Philipp Caba.

Mehr Haftungsansprüche

Auch erweitern die Luxemburger Richter die Haftungsansprüche der Diesel-Kunden. Der Hersteller hafte sowohl beim Einbau einer Abschalteinrichtung bei neuen Fahrzeugen als auch beim nachträglichen Einbau. Nach Einschätzung der klagenden Kanzlei führt ein Softwareupdate, das eine Abschalteinrichtung enthält, zu einem neuen Anspruch und setzt auch eine neuerliche Verjährungsfrist von zehn Jahren nach dem Fahrzeugkauf in Gang. Dadurch würden sich Millionen Besitzern gebrauchter Dieselfahrzeuge Schadenersatzansprüche eröffnen.

In der Vergangenheit sind viele von der Softwaremanipulation betroffene Autofahrer leer ausgegangen, weil die Nutzung des Fahrzeugs auf ihren Entschädigungsanspruch angerechnet wurde. Die Richter finden eine Berücksichtigung der Laufleistung zwar grundsätzlich in Ordnung und heißen auch eine Begrenzung der Erstattung auf 15 Prozent des Kaufpreises gut.

„Allerdings ist darauf zu achten, dass diese Entschädigung eine angemessene Wiedergutmachung für den erlittenen Schaden darstellt“, teilt der EuGH mit. Laut Gansel gilt daher nun eine Mindestentschädigung von fünf Prozent des Kaufpreises, auch für ältere Fahrzeuge. Im Durchschnitt rechnet die Kanzlei mit Erstattungen zwischen 2.000 und 8.000 Euro. Auf eine Entschädigung können auch die Käufer gebrauchter Fahrzeuge hoffen. Der Anspruch entstehe bei jedem Kauf neu, erklären die Anwälte.

Die Entscheidung verbessert nicht nur die Position von VW-Kunden. Auch andere Hersteller hatten verbotene Thermofenster in ihre Modelle eingebaut. „Das Urteil gilt europaweit für sämtliche Hersteller, darunter Volkswagen, Daimler, BMW, Fiat und weitere Automobilkonzerne. Jetzt bist der Weg frei für Millionen Fahrzeugbesitzer, die Entschädigung zu erhalten, die ihnen zusteht“, sagt Caba.

Nun geht das Verfahren erst einmal zurück zum Landgericht Ravensburg. Dort entscheiden die Richter dann über die tatsächliche Höhe der Ansprüche zweier Kläger gegen VW. Bislang konnten die Hersteller ein höchstrichterliches Urteil vermeiden, in dem sie großzügige Vergleichsangebote unterbreiteten und Klagen deshalb zurückgezogen wurden. In diesen beiden Fällen ist das nicht gelungen. VW hat sich bisher nicht zu dem Urteil geäußert.

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