Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs: Abtreibungsgegner darf nicht hetzen

Abtreibungsgegner Klaus-Günter Annen ist vor Gericht gescheitert. Aussagen wie „Abtreibung ist Mord“ darf er nicht auf bestimmte Ärzte beziehen.

Eine Demonstration von Abtreibungsgegnern

Ihre Meinung äußern dürfen sogenannte Lebensschützer natürlich, aber nicht hetzten Foto: imago/ Markus Heine

Der Abtreibungsgegner Klaus Günter Annen ist beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit vier Klagen gescheitert. Seine Meinungsfreiheit sei nicht verletzt, wenn ihm verboten wird, in Bezug auf bestimmte Ärzte Abtreibungen als Mord zu bezeichnen und sie mit dem Holocaust zu vergleichen.

Der bald 70-jährige Klaus Günter Annen ist einer der bekanntesten Abtreibungsgegner Deutschlands. Unter anderem betreibt er die Webseite www.babycaust.de. Er zeigt immer wieder Ärzte an, die im Internet angeben, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Das sei strafbare Werbung für Abtreibungen.

Mitte der Nullerjahre protestierte Annen regelmäßig vor den Praxen von Ärzten und verteilte Flugblätter an Passanten. Dort hieß es zum Beispiel: „In Ihrer Nähe: rechtswidrige ABTREIBUNGEN … und SIE schweigen zum MORD an unseren KINDERN?“ oder: „Diese vorgeburtlichen Kindstötungen haben mittlerweile Ausmaße angenommen, welche an einen ‚neuen HOLOCAUST‘ erinnern!“

Vier Ärzte wehrten sich vor Gericht erfolgreich gegen solche Äußerungen im Zusammenhang mit ihrem Namen. Die Gerichte erließen einstweilige Verfügungen gegen Annen, denn er stelle die Ärzte hier unzulässig „an den Pranger“. Deren Persönlichkeitsrecht habe Vorrang vor Annens Meinungsfreiheit. Nachdem Annen auch beim Bundesverfassungsgericht gescheitert war, ging er mit vier Klagen nach Straßburg. Er habe nicht die Ärzte angegriffen, sondern die deutsche Rechtslage. Seine Flugblätter trügen zu einer wichtigen politischen Debatte bei.

Gerichstentscheidungen waren nicht unverhältnismäßig

Doch auch der EGMR entschied nun gegen Annen. Er habe den Eindruck erweckt, die Ärzte hätten schwere Straftaten begangen. Dies sei geeignet, Hass und Aggressionen gegen sie zu wecken. Ein Verbot solcher Aussagen in Bezug auf konkrete Ärzte sei deshalb in einer demokratischen Gesellschaft gerechtfertigt. Die deutschen Gerichte hätten die widerstreitenden Grundrechte gut abgewogen. Da Annen nur die Wiederholung der Aussagen untersagt und er nicht strafrechtlich verurteilt wurde, seien die deutschen Gerichtsentscheidungen nicht unverhältnismäßig.

Der EGMR entschied diesmal anders als 2015. Damals hatte Annen mit einer Beschwerde in Straßburg Erfolg. Allerdings ging es damals auch um Flugblätter, auf denen er erwähnt hatte, dass die den Ärzten vorgeworfenen Abtreibungen in Deutschland straffrei sind.

Auf Annens Webseite finden sich weiterhin Aussagen wie „Abtreibung ist Mord“. Der Titel der Seite lautet: „Kindermord im Mutterleib! Der neue Holocaust!“ Er verzichtet lediglich darauf, die Aussagen auf bestimmte Ärzte zu beziehen.

Die vier neuen EGMR-Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Annen kann noch Rechtsmittel einlegen. Die 17-köpfige Große Kammer des EGMR wird den Fall aber nur aufgreifen, wenn sie ihn für grundsätzlich hält.

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