Urteil gegen Bolsonaro: Jair, es ist Zeit zu gehen!
Brasilien feiert das Urteil gegen den Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro. Tausende trafen sich in Rio de Janeiro zu einem außerplanmäßigen Karnevalsumzug.

Tausende trafen sich in Rio de Janeiro zu einem außerplanmäßigen Karnevalsumzug durch die Altstadt. Viele trugen schwarze Roben oder imitierten mit Hauben die Glatze des obersten Bundesrichters Alexandre de Moraes, der das Verfahren federführend vorangetrieben hatte.
Auch in den Straßen der Altstädte von Recife und Olinda herrschte Karnevalsstimmung. In Belém bildeten sich kilometerlange Schlangen vor einer Bar, die im Falle der Verurteilung Freibier versprochen hatte: 23 Fässer waren nicht genug für die Feierfreudigen. In Brasilia trafen sich die Menschen zu Grillpartys und Sprechchören. Mit und ohne musikalische Begleitung intonierten viele den Samba-Klassiker „Wein doch“ von Beth Carvalho, beliebt war außerdem ein Wahlkampfsong aus dem Jahr 2022 mit dem Refrain: „Jair, es ist Zeit zu gehen!“.
Die ausgelassene Stimmung und die allgemeine Erleichterung erinnern an das große Aufatmen nach dem Wahlsieg Lulas gegen Bolsonaro im Jahr 2022, durch den Brasilien um Haaresbreite einer neuen Diktatur entronnen war. Nun haben Brasiliens Institutionen bewiesen, dass sie noch in der Lage sind, die geschwächte Demokratie zu verteidigen.
Bolsonaristen bleiben still
Die Bolsonaro-Anhänger waren nach dem Urteil weitgehend unsichtbar. In Brasilia blieben fliegende Händler auf Flaggen sitzen, die sie vor den TV-Studios des Senders Globo TV an Pro-Bolsonaro-Demonstranten verkaufen wollten. Nur ein paar Dutzend Bolsonaristen trafen sich vor der Wohnanlage, in der der Verurteilte unter Hausarrest steht, um mit zum Himmel erhobenen Händen für ihren „Mythos“ zu beten.
Gleichzeitig feierten drinnen Bolsonaros Nachbarn eine Grillparty für die Demokratie. Laut der brasilianischen CNN wollen die Fans erst dann wieder auf die Straßen gehen, „wenn es neue Entwicklungen gibt“. Gemeint sind vor allem weitere Sanktionen durch US-Präsident Trump.
Welche Möglichkeiten bleiben dem Ex-Präsidenten nach dem Urteil? Bolsonaro und seine Anhänger bräuchten Hilfe und Druck von außen, um gegen das Urteil vorzugehen. Hoffnungsträger sind dabei die USA. Auf den traditionell von der Rechten organisierten Demonstrationen zum brasilianischen Unabhängigkeitstag am 7. September, hissten Bolsonaristen in São Paulo eine weit größere amerikanische Flagge, als die daneben hängende brasilianische. „Trump, hilf uns, uns von Tyrannen zu befreien“, hieß es auf Spruchbändern.
Eine weitere Chance sehen die Rechten in einem Amnestiegesetz, das eilig vom Kongress verabschiedet werden müsste. Und eine dritte wäre ein Volksprotest. Für den machen Abgeordnete aus Bolsonaros Partei PL in Social Media bereits Stimmung, indem sie die gewalttätigen Proteste in Nepal über alles loben, die dort zum Rücktritt des Regierungschefs führten. Noch sind in den Straßen Brasiliens keine Nachahmer zu sehen.
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