Urteil gegen Fanprojektmitarbeiter: Ein weiterhin ungelöstes Problem
Das Gerichtsurteil gegen Angestellte des Karlsruher Fanprojekts ist unbefriedigend. Die Politik muss in Sachen Zeugnisverweigerungsrecht handeln.
I m November 2022 wurden bei einer großen Pyroshow in Karlsruhe 11 Menschen verletzt. Im darauf folgenden Prozess verweigerten die Sozialarbeitenden des Fanprojekts ihre Aussage gegen die eigenen Klienten, denn sie würden das Vertrauen und somit das Fundament ihrer Arbeit kaputt machen. Sie wurden wegen Strafvereitelung angeklagt, während ihres Prozesses stand sogar eine Beugehaft im Raum. Am Ende gab es eine Geldstrafe und die Sozialarbeitenden gingen in Berufung.
Am vergangenen Donnerstag gab es eine Einigung. Die drei Sozialarbeitenden müssen Geldstrafen von 1.500 bis 3.150 Euro zahlen, betonen aber, dass das kein Schuldeingeständnis sei. Das Urteil ist für Fanprojekte und ihre Klienten keine große Erleichterung, denn die Sorge, privat zu haften sowie sich nicht anvertrauen zu können, bleibt.
Der Richter sagte, dieser Prozess könne ein Signal in Richtung Politik senden. Denn jetzt ist die Frage des Zeugnisverweigerungsrechts für die Soziale Arbeit nicht auf juristischer, sondern politischer Ebene zu klären. Gerade für die aufsuchende Soziale Arbeit ist Vertrauen wichtig. Es gibt kaum eine andere Anlaufstelle, die Menschen so effektiv aus der Not helfen kann. Vertrauen als Grundlage macht es möglich, dass sich Lebenswege an heiklen Punkten zum Guten wenden. Auch weil die Sozialarbeitenden mal über eine Dummheit hinwegsehen können – auf Basis von Erfahrung und professioneller Einschätzung natürlich.
Fanprojektarbeit ist erfolgreich
Zudem zeichnet sich die aufsuchende Soziale Arbeit dadurch aus, dass Menschen rundum unterstützt werden. Die Hilfe hört bei der Jobsuche, Schulden oder Suchtproblemen nicht auf. Die Arbeit der Fanprojekte in Deutschland wird gut evaluiert und an ihrem Erfolg gibt es praktisch keinen Zweifel. Rechtsextremismus und Rassismus im Fußball gingen auch dank ihrer Anstrengungen zurück.
Wenn das Vertrauen bei den Fanprojekten untergraben wird und diese nicht präventiv, sondern kontrollierend wie die Polizei wahrgenommen werden, beraubt man sie ihrer entscheidenden Wirkung. Denn sie schaffen es, zwischen verschiedenen Institutionen erfolgreich zu vermitteln und unnötige Eskalationen zu minimieren.
Wenn Sozialarbeitende kein Zeugnisverweigerungsrecht haben, müssen Klienten Angst haben und vertrauen sich nicht an. Es ist nicht zumutbar, dass Angestellte von Fanprojekten wie in Karlsruhe ein so persönliches Risiko auf sich nehmen.
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