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Urteil gegen VW do BrasilEinfach nur beschämend

Niklas Franzen
Kommentar von Niklas Franzen

Volkswagen betrieb in Brasilien eine Farm, Arbeiter wurden misshandelt. Dass der Konzern gegen ein Urteil gegen ihn nun vorgehen will, spricht Bände.

VW hat in Brasilien nicht nur in seiner Käfer-Fabrik, sondern auch auf Farmen Menschenrechte verletzt Foto: Marcus Brandt / dpa

F ür viele war die Entscheidung längst überfälig: Ein brasilianisches Gericht hat schwere Menschenrechtsverletzungen auf einer von Volkswagen do Brasil betriebenen Farm als erwiesen anerkannt und dem Konzern nun ein fette Geldstrafe aufgebrummt. Dass ein Gericht so klar die Seite von armen Landarbeitern einnimmt, ist in Brasilien ungewöhnlich. Doch es geht um mehr als um ein einzelnes Urteil: Es geht auch um die Aufarbeitung der Militärdiktatur, die ohne internationale Unterstützung kaum möglich gewesen wäre.

Volkswagen spielt eine besonders unrühmliche Rolle: Der Konzern verkaufte in jener Zeit jährlich 400.000 Autos in Brasilien, nicht zuletzt wegen der engen Verbindungen des Unternehmens zu den politischen Spitzen des Landes zur Zeit der Militärdiktatur. Sein Käfer – der Fusca – erlangte Kultstatus.

Im VW-Werk bei São Paulo arbeitete der Werksschutz mit der Geheimpolizei zusammen. Linke Beschäftigte wurden bespitzelt, einige landeten in Folterkellern, mutmaßlich mit Wissen des VW-Vorstands in Brasilien. 2020 zahlte der Konzern den Betroffenen rund 5,5 Millionen Euro. Für manche kam das zu spät, sie waren bereits verstorben. Das darf sich nicht wiederholen.

Deshalb ist es beschämend, dass Volkswagen bereits angekündigt hat, in Berufung zu gehen. Schuld seien Arbeitsvermittler gewesen, hieß es in der Vergangenheit mehrfach. Ganz ironiefrei hatte ein VW-Manager seinen Konzern einmal verteidigt, alle Firmen hätten so gehandelt. Es soll sich lediglich um Einzelfälle gehandelt haben, so hört man.

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Die Ermittlungsunterlagen zeichnen jedoch ein anderes Bild: Sie zeigen das volle Ausmaß der Gewalt, der Arbeiter ausgesetzt waren. Die Männer, die vor allem zu Rodungsarbeiten eingesetzt wurden, sollen schwer misshandelt worden sein.

Wer sich wie Volkswagen als moderner Konzern versteht, muss glaubwürdig mit seiner Vergangenheit um­gehen. Um neue Kapitel aufzuschlagen, müssen alte endlich geschlossen werden.

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Niklas Franzen
Autor
Niklas Franzen ist Journalist und ehemaliger Brasilien-Korrespondent. Im Mai 2022 erschien sein Buch “Brasilien über alles - Bolsonaro und die rechte Revolte” bei Assoziation A.
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6 Kommentare

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  • "Dass ein Gericht so klar die Seite von armen Landarbeitern einnimmt, ist in Brasilien ungewöhnlich."

    Dementsprechend sind die Chancen, dass die naechste Instanz ein fuer VW guenstigeres Urteil spricht, nicht von der Hand zu weisen.



    Als Manager von VW muss ich bei einer realistischen Chance in die naechste Instanz gehen, vollkommen unabhaengig von der Sache.

  • VW hat für die Quartalsboni der Managerklasse und noch mehr Piech-Villen mit Ungarn, VR China und eben Diktatur-Brasilien gekuschelt. CO2-Schleudern überteuert und staatlich bezuschusst zu produzieren scheint das Gewissen ja auch nicht zu belasten.



    Gut, dass jetzt Brasilien mal nachfragt und klärt.

  • Was ist "beschämend"? Der Rechtsweg, die Gewalteinteilung?

    Ich verstehe nicht, warum Klimaschützer beim Europ.Meschengerichtshof EINSTEIGEN und hier der nä Rechtsweg Schritt hier von einem Regionalgericht "beschämend" sein soll.

    Ist das nur das Thema?

    • @GregTheCrack:

      Schon mal daran gedacht den Begriff "beschämend" auf die moralische Kompetenz der Veranwortlichen bei dem Konzern zu lenken???

      • @Perkele:

        "moralische Kompetenz"

        Das beurteilt doch ein Gericht nicht, oder bin ich im falschen Film?

        Meinen sie, daß die rechtliche Vertretung von VW beschämend ist?

        Das ist aber das Wesen eines Rechtsstaats. Auch ein Mörder hat einen Rechtsbeistand vor Gericht.

    • @GregTheCrack:

      Beschämend ist, wie sich VW mit dem Argument, alle Firmen hätten so gehandelt, aus der Verantwortung winden will. So twas nennt man neudeutsch "Whataboutism".