Urteil zu Erzieherin in rechter Szene: Mobilmachung im Kindergarten

Wegen Verstrickungen in die rechtsextreme Szene beurlaubte die Stadt Lüneburg 2010 eine Erzieherin. Die bekam nun vor Gericht recht – und darf wieder arbeiten.

Soll nazifrei bleiben, wenn es nach der Elterninitiative geht: Kindergarten am Lüneburger Marienplatz. Bild: Andreas Speit

LÜNEBURG taz | In dieser Woche wird Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD) ganz besondere Post bekommen. Erwartet haben dürfte die Stadtverwaltung diese Briefe nicht: Eltern des Kindergartens am Marienplatz wollen dem Stadtoberhaupt darin ganz persönlich darlegen, dass eine Rückkehr von Birkhild T. in den Kindergarten mehr als unerwünscht ist. Den hatte die Erzieherin seit August 2010 nicht mehr betreten – wegen ihrer Nähe zur rechtsextremen Szene.

Im Sommer 2010 legte ein taz-Artikel T.s Familienverhältnisse offen: Verheiratet ist sie mit einem bedeutenden NPD-Funktionär aus dem Mecklenburgischen, mit sechs Kindern lebt das Paar in Langenheide unweit von Lübtheen (Landkreis Ludwigslust-Parchim). Seit Jahren ist der Ehemann Mitarbeiter von NPD-Landtagsfraktionschef Udo Pastörs, betreut das Wahlkreisbüro. Im Kreistag Ludwigslust-Parchim führt der frühere „Unterführer“ der verbotenen „Wiking Jugend“ die NPD-Fraktion an. 2011 erklärte er bei der Selbstdarstellung für seine Landtags-Direktkandidatur unter vollständiger Namensnennung, er sei mit seiner Frau „seit 1996 verheiratet“.

Einige der Kinder schickte das Paar zur mittlerweile verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ oder der Vater nahm sie mit zum NPD-Fest. Auf ihrem Grundstück hielten Szeneangehörige Lager ab, eine Aussteigerin erzählte, dass T. eine rechte Frauengruppe geleitet habe – aber bewusst im Hintergrund bleiben wollte: wegen der Arbeit.

Nach dem Eklat handelte die Stadt: Sie stellte die Erzieherin vom Dienst frei, weil Eltern ihre Kinder vom Kindergarten abzumelden drohten, sollte sie dort wieder arbeiten. T. meldete sich krank, Stadt und Eltern führten Hintergrundgespräche, richteten Infoabende mit Rechtsextremismus-Experten aus. Und die Stadt nahm die Auseinandersetzung zum Anlass, alle städtischen ErzieherInnen eine schriftliche Erklärung unterschreiben zu lassen, wonach sie „nicht Mitglied einer extremistischen Gruppierung“ seien. Was irritierte: Die Erklärung gab auch T. selbst ab.

Vor dem Arbeitsgericht Lüneburg scheiterte die Stadt später mit dem Angebot, T. in die weniger problematische Tagespflege zu versetzen. Am 10. Oktober nun entschied dasselbe Gericht, dass die Erzieherin wieder in dem Kindergarten arbeiten darf. Eine Versetzung infolge der Elternproteste gegen die NPD-Mitgliedschaft des Ehemanns sei irrelevant: „Auf die politische Gesinnung ihres Ehemannes kam es für die Entscheidung aus rechtlichen Gründen nicht an.“

„Wir wägen das alles noch sehr genau ab“, erklärte Suzanne Moenck, Sprecherin der Stadt Lüneburg, am Freitag gegenüber der taz. Unter anderem sei unklar, ob die Stadt den Rechtsweg beschreiten werde – aber auch, ob T. wirklich in den Kindergarten zurückkehre.

„Wir waren entsetzt“, sagte im Sommer 2010 der Vater eines Kindes aus der Kita Marienplatz. „Wir sind es wieder“, sagt er jetzt. In den vergangenen zwei Jahren standen die betroffenen Eltern vom Marienplatz immer wieder in Kontakt. Formlos gründeten sie eine Elterninitiative. Die kam am vergangenen Freitagabend zusammen, um sich über den neuen Sachstand auszutauschen – und Protest zu planen.

Mit den Briefen, die ab dem heutigen Montag in die Post gehen, wollen sie den Druck verstärken. In sehr individuellen Worten, so haben es rund 30 Betroffene angekündigt, wollen sie ihre Sorgen und Befürchtungen gegenüber dem Bürgermeister zum Ausdruck bringen. Und ihre letzte Aktion dürfte es nicht sein.

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