Urteil zu „Körperwelten“ in Berlin: Plastinate pflastern ihren Weg

Der Bezirk Mitte wollte die Ausstellung von Gunther von Hagens nicht erlauben. Jetzt entschied ein Gericht, dass es sich bei den Toten gar nicht um Leichen handelt.

Leichenpräparator Gunther von Hagens (hinten) im Mai 2014. Bild: dpa

BERLIN dpa | Die Toten posieren als Denker, als Radfahrer mit Sonnenbrille im Gesicht oder beim Sex. Die Haut hat man ihnen abgezogen, ihre Muskeln und Nervenstränge sind gut sichtbar. Die schwarze Lunge eines Rauchers steht eindrucksvoll neben dem hellrosa Organ eines Nichtrauchers.

Etwa 20 plastinierte Körper und bis zu 200 Einzelstücke will der umstrittene Leichenpräparator Gunther von Hagens dauerhaft in einem „Menschen-Museum“ zeigen – mitten in Berlin, am Fuße des Fernsehturmes. Der Bezirk Mitte lief Sturm dagegen. Nach seiner Auffassung handelt es sich um Leichen und deren Ausstellung sei nach dem Bestattungsrecht nicht zulässig. Die Richter sehen das nun anders. Ende Januar soll das Museum eröffnet werden.

Von Hagens, der das Museum vor einigen Monaten als einen lang gehegten Traum bezeichnet hatte, braucht dafür jedenfalls keine Genehmigung nach dem Bestattungsgesetz. So urteilte das Verwaltungsgericht am Freitag. Nach dem Willen des Gesetzgebers seien plastinierte Körper keine Leichen im Sinne der Vorschrift, begründete der Vorsitzende Richter Björn Schaefer das Urteil. In dem Gesetz gehe es um die schnelle Bestattung Verstorbener. Plastinate würden aber nicht verwesen und könnten damit nicht auf einem Friedhof bestattet werden. Auch eine Einäscherung sei nicht möglich.

Nicht um den Tod, sondern um das Leben geht es auch von Hagens' Frau und Kuratorin, Angelina Whalley. Sie war im Verwaltungsgericht dabei. Ihr an Parkinson erkrankter Mann, war nicht dabei. Er hat sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.

Effekthascherische Posen

Für sie als Ärztin sei die Ausstellung ein Erfolg, weil sie Menschen zum Nachdenken anrege, sagte Whalley. „Viele Menschen nehmen ihren Körper nach dem Besuch der Ausstellung nicht mehr für selbstverständlich“, sagt Whalley bei der mündlichen Verhandlung. „Sie hören etwa mit dem Rauchen auf.“

Der Bezirk Mitte sieht das anders – für ihn verstößt die geplante Dauerausstellung gegen die Menschenwürde. Ähnlich argumentieren seit Jahren auch andere „Körperwelten“-Kritiker. Die Körper würden in „effekthascherischen Posen“ ausgestellt und die „Sensationslust“ bedient. Spender hätten keinen Einfluss darauf, in welchen Posen ihre Leichen ausgestellt würden.

Für diese Bedenken lässt das Gericht dem Bezirk eine Hintertür offen: Verstoßen die Ausstellungsmacher gegen die öffentliche Ordnung – verletzen sie etwa die Menschenwürde –, könne die Behörde ein Verbot jederzeit auf das allgemeine Ordnungsrecht stützen. Bei den „Körperwelten“-Wanderausstellungen, die es in den vergangenen Jahren in verschiedenen Städten gab, ist dies nur bei einzelnen Exponaten geschehen. Gerichtlich verboten wurde etwa das Paar beim Sex.

Das Berliner Bezirksamt Mitte überlege dennoch, ob es auf diesem Weg gegen das geplante Museum vorgehen kann, sagt die Rechtsamtsleiterin Luise Geisler-Ortmann.

Eröffnung im Januar

Dem Anwalt der Klägerin – also des Unternehmens, das die Ausstellung organisiert – bereitet das keine Sorgen: Die plastinierten Körper würden nicht in lächerlich machenden Posen ausgestellt, sagt er nach der Urteilsverkündung. Die Menschenwürde werde gewahrt.

Kuratorin Whalley hatte sich schon im Vorfeld immer wieder auf Wissenschaftsfreiheit berufen. Sie betonte, auch bei den „Körperwelten“-Ausstellungen in Berlin in den Jahren 2001, 2009 und 2011 seien keine Sondergenehmigungen abgefragt worden.

Unabhängig davon kann der Bezirk auch gerichtlich weiter gegen das Museum kämpfen: Die Berufung an das Oberverwaltungsgericht ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falles zugelassen. Die Ausstellungsmacher lässt das ungerührt: Ende Januar werde das Museum öffnen, kündigten sie an. Der Berliner Senat hatte das Museum im Juni als Privatsache eingestuft.

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