Urteil zu Leiharbeit: Keine Sanktionen für Arbeitgeber

Das Bundesarbeitsgericht lehnt überraschend Ansprüche von Leiharbeitern auf einen Vertrag mit Langzeit-Entleihern ab. Der Bundestag muss nachbessern.

Demo gegen Leiharbeit am 1. Mai in Berlin. Bild: dpa

ERFURT taz | Leiharbeiter, die zu lange an das gleiche Unternehmen verliehen werden, bekommen dort nicht automatisch einen Arbeitsvertrag. Das entschied jetzt das Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Es lehnte damit eine von der Gewerkschaft Ver.di unterstützte Klage des Leiharbeiters Harald Hotop aus Lörrach (Südbaden) ab.

Hotop arbeit seit 2008 als IT-Sachbearbeiter bei der Lörracher Kliniken GmbH, einem Unternehmen des Landkreises Lörrach. Angestellt ist er aber bei Data-Med, einer Leiharbeitsfirma, die der Lörracher Kliniken GmbH gehört. Für ihn hat das gravierende Folgen. „Ich bekomme rund 30 Prozent weniger Lohn als Kollegen, die die gleiche Arbeit machen“, sagt Hotop.

Der Unterschied: Wer bei der Klinik direkt angestellt ist, wird nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) bezahlt, Hotops Lohn bemisst sich dagegen nach dem ungünstigeren Tarifvertrag für Leiharbeiter. Die zeitweise defizitäre Kliniken GmbH begründet die Flucht in die Leiharbeit mit Sparzwängen.

Nach dreieinhalb Jahren bei Data-Med klagte Hotop auf eine Festanstellung bei den Kliniken. Die Leiharbeit sei nicht mehr „vorübergehend“. Tatsächlich hatte der Bundestag 2011 ins Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) den Satz eingefügt: „Die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher erfolgt vorübergehend.“

Das Landesarbeitsgericht (LAG) von Baden-Württemberg gab Hotop im Vorjahr recht. Dagegen legten die Lörracher Kliniken und ihre Leiharbeitsfirma Data-Med Revision ein. Der Prozess fand im Vorfeld große Beachtung. Es wurde erwartet, dass das Bundesarbeitsgericht klärt, nach welcher Zeit eine Arbeitnehmerüberlassung nicht mehr vorübergehend und daher unzulässig ist.

Wie lange ist „vorübergehend“?

Der Klinik-Anwalt wollte das Gesetz sehr großzügig auslegen: „Auch eine längerfristige Entleihung ist noch vorübergehend, solange sie nicht dauerhaft ist“, sagte er in Erfurt.

Doch das Bundesarbeitsgericht ließ die Frage offen. Es kam nämlich zu einer ganz anderen Lösung: „Im Gesetz steht nirgends, dass bei einer nicht vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher zustande kommt“, sagte der Vorsitzende Richter Gernot Brühler. Auch die zugrunde liegende EU-Richtlinie fordere nur „wirksame Sanktionen“, lasse aber offen, was bei einer illegal langen Entleihung passieren soll.

Die Lücke tritt nicht überraschend auf. Schon bei einer Anhörung hatten Experten den Bundestag darauf hingewiesen, dass er keine Sanktionen für den Fall überlanger Entleihverhältnisse vorsehe. Doch die schwarz-gelbe Mehrheit setzte sich über die Bedenken hinweg.

Harald Hotop zeigte sich nach der Urteilsverkündung enttäuscht. Gegen das Urteil sind keine Rechtsmittel mehr möglich. Nun muss der Bundestag also sein Gesetz nachbessern.

Im Koalitionsvertrag heißt es dazu bisher nur: „Wir präzisieren im AÜG die Maßgabe, dass die Überlassung von Arbeitnehmern an einen Entleiher vorübergehend erfolgt, indem wir eine Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten gesetzlich festlegen.“ Damit wäre zwar geklärt, wie lange „vorübergehend“ ist. Aber welche Sanktion fällig wird, wenn die Entleihung zu lange dauert, ist auch hier nicht geregelt. Die Koalition wird hier wohl nachverhandeln müssen.

(Az.: 9 AZR 51/13)

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.