Zur Neutralität verurteilt: Ein Maulkorb für die Handelskammer

Die Hamburger Handelskammer war beim Volksentscheid gegen den Rückkauf der Energienetze durch die Stadt. Das war rechtswidrig.

Politische Statements werden künftig Seltenheitswert haben: Die Hamburger Handelskammer Foto: dpa/Christian Charisius

HAMBURG taz |Wann immer in Hamburg politische Weichen gestellt werden, ist Hans-Jörg Schmidt-Trenz dabei. Natürlich warb der Hauptgeschäftsführer der Hamburger Handelskammer nach Kräften für die Bewerbung um die Olympischen Spiele und war auf allen Bildern, die die Riege der Verlierer nach dem Referendum zeigte, in der ersten Reihe zu sehen. Kaum war das Ringen um Olympia verloren, kommentierte er die Niederlage im Namen der Handelskammer als „schweren Rückschlag für die Zukunftsgewandtheit unserer Stadt“.

Ungewohnt schweigsam hingegen reagierte Schmidt-Trenz auf ein Gerichtsurteil in eigener Sache. Vergangene Woche nämlich verhängte das Hamburger Verwaltungsgericht der Handelskammer und ihrem meinungsstarken Frontmann einen Maulkorb. Die Handelskammer habe sich mit politischen Statements zurückzuhalten, befand das Gericht.

Geklagt hatte der Unternehmer und Grünen-Chef von Hamburg-Eimsbüttel Dominik Lorenzen. Der 38-Jährige hatte sich „total über die polemische Kampagne der Handelskammer“ gegen den Rückkauf der Energienetze geärgert, über den beim bislang letzten Hamburger Volksentscheid im September 2013 abgestimmt wurde. Die Kammer hatte sich damals der Initiative „Nein zum Netzkauf“ angeschlossen und Schmidt-Trenz hatte einen Rückkauf als „Schildbürgerstreich“ und als „Verplempern“ von Steuergeldern bezeichnet. Doch dieses einseitige Engagement der Kammer sei nicht mit geltendem Recht und Gesetz vereinbar, urteilte nun das Gericht.

In ihrem Urteil führt die Kammer 17 des Verwaltungsgerichts aus, dass der Beitritt der Kammer zur Initiative „Nein zum Netzkauf“ genauso rechtswidrig gewesen sei wie die Verwendung des Handelskammer-Logos im Rahmen der Anti-Rückkauf-Kampagne. Auch die Schmidt-Trenz-Äußerungen seien, da er sie nicht als Privatperson gemacht habe, eindeutig „rechtswidrig“. „Der Richter hat der Kammer die rote Karte gezeigt“, freute sich Kläger Lorenzen, dessen Antrag das Gericht nun in allen Punkten stattgab.

In seinem Urteil stellte das Hamburger Verwaltungsgericht fest, dass „folgende Handlungsweisen der Beklagten rechtswidrig waren“:

Beitritt zur Initiative „Nein zum Netzkauf“

Verwendung des Handelskammer-Logos unter der als Plakat und Anzeige veröffentlichten Erklärung „Nicht mit meinem Geld“

Äußerungen des Handelskammer-Hauptgeschäftsführers, soweit dieser den Gegenstand des Volksentscheids als „Schildbürgerstreich“ und „Verplempern“ von Geld bezeichnet

Lorenzen hatte sich in seiner Klage auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2010 bezogen, in dem diese die Beteiligung der hessischen Industrie- und Handelskammern an einer Grundsatzerklärung zum Wirtschaftsstandort Hessen für rechtswidrig erklärt hatte. Zudem hatte das Gericht den Kammern ins Stammbuch geschrieben, bei Meinungsäußerungen „das höchstmögliche Maß an Objektivität walten zu lassen“ und starke „Zurückhaltung“ bei allgemeinpolitischen Stellungnahmen zu wahren.

Dies sei auch wegen der Zwangsmitgliedschaft der Handelsunternehmen in der Kammer nötig, die auch dann nicht austreten können, wenn ihnen die politischen Äußerungen der Kammer nicht passen. Auch deshalb müssten politische Statements zuvor von der Vollversammlung der Kammern genehmigt werden, urteilte das Gericht.

„All das ließ sich nicht mit dem Handelskammer-Handeln beim Thema Netzrückkauf in Deckung bringen“, begründete Lorenzen seine Klage. Schmidt-Trenz hatte Anfang des Jahres im Gespräch mit der taz noch betont: „Unsere Position zum Rückkauf der Netze ist von sämtlichen Gremien der Kammer legitimiert worden.“

„Wir werden nun die schriftliche Begründung des Gerichts abwarten und dann entscheiden, ob wir Berufung einlegen“, kündigte der Sprecher der Kammer, Jörn Arfs, an. „Die zuständigen Kammer-Gremien werden zu gegebener Zeit damit befasst.“ Doch welche das sind, darüber hüllt sich der Sprecher auch auf Nachfrage in Schweigen. Kläger Lorenzen fordert, dass das Plenum der Kammer, in dem auch die oppositionelle Gruppierung „Die Kammer sind wir“ vertreten ist, als höchstes Kammerorgan „breit darüber debattiert, ob die Kammer das Urteil annimmt“ und ihre Außendarstellung fortan verändert. Das würde ihr politisches Auftreten deutlich einschränken. Und Schmidt-Trenz wider Willen ruhigstellen.

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