Stadt-Visionär Julian Petrin: „Inseln der Sparsamkeit“

Der Think Tank Nexthamburg hat die Idee einer Stadt ohne Wachstum entwickelt. Julian Petrin übers Abkoppeln von Warenströmen - und die Gefahr des Sich-Abschottens.

Handliche Visionen: Warum nicht Brauchbares in Milchtüten anpflanzen? Bild: dpa

taz: Der Think Tank Nexthamburg hat zusammen mit der Zeit-Stiftung die Vision einer Stadt ohne Wachstum entwickelt. Um welches Wachstum geht es?

Julian Petrin: Es geht um die Idee einer Stadt, die nicht mehr auf das ökonomische Wachstum setzt und versucht, mit den Ressourcen so sparsam wie möglich zu wirtschaften. Die Idee ist, so viele Dinge wie möglich, die die Bürger in der Stadt brauchen, innerhalb der Stadtgrenzen zu erwirtschaften, um sich von globalen Stoffströmen zu entkoppeln.

Ohne Wachstum, denkt man, gäbe es keine Industrie und keine Arbeitsplätze.

Es ist in Frage gestellt, dass das so sein müsste. Wir beziehen uns auf die Vordenker der Post-Wachstums-Ökonomen wie Harald Welzer oder Niko Paech. Die postulieren, dass es kein Wachstum im kapitalistischen Sinne geben muss, damit die Produktion aufrecht erhalten werden kann.

Wie soll das denn funktionieren?

Zwei Prinzipien spielen bei der Post-Wachstums-Ökonomie eine große Rolle. Das erste ist die Effizienz. Wir fragen uns, welche Bedürfnisse anders befriedigt werden könnten und an welchen Stellen wir sparen können. Ist beispielsweise Mobilität etwas, das wir kontingentieren müssen? Das andere ist das Prinzip des Self-Containments: Man erwirtschaftet die Ressourcen, die man braucht, innerhalb des eigenen Systems.

Julian Petrin, 45, der Stadtplaner arbeitet als Moderator und Autor, gründete den Think Tank Nexthamburg und das Stadtplanungsbüros Urbanista.

Dann ist die Stadt, die dabei entstehen würde, eine Insel.

Unser Konzept sieht vor, erstmal innerhalb der Stadt solche Inseln der Sparsamkeit und des Self-Containments zu schaffen. Ansätze gibt es dazu auch in Hamburg schon: Die Internationale Bauausstellung hat versucht, die Elbinseln als energieautarkes Gebiet zu denken.

Birgt die Inselsituation nicht die Gefahr, dass sich die Insulaner abschotten?

Das ist in der Tat die problematische Seite des Konzepts. Es wird zur Zeit ja sehr viel über eine Renaissance der Dorf-Idee gesprochen: Das Dorf in der Stadt sozusagen und da ist die Gefahr des Sich-Abgrenzens immer gegeben. Die Herausforderung ist, Mechanismen zu finden, wie man das verhindert.

Wenn man sagt, man verzichtet auf Wachstum innerhalb einer Stadt, dann müsste man es ja außerhalb der Stadt auch tun, wenn es weiter ein Miteinander geben soll.

Das kommt darauf an, was man für ein Bild von Gesellschaft hat. Nehmen wir Griechenland: Die haben momentan kein Wachstum. Dort fangen Communitys an, sich selber zu organisieren. Es bildet sich eine andere Ökonomie. Das ist möglicherweise nur ein Übergangsszenario. Aber es ist nur auf Griechenland beschränkt und dort nur auf Athen.

Was hätten die Bürger von so einer Zero City?

Die Grundthese ist: Wir werden diese Stadt noch brauchen. Die Postwachstums-Ökonomie geht davon aus, dass wirtschaftliches Wachstum kein Naturgesetz ist. Es ist gut, diese Modelle durchzuspielen, um vorbereitet zu sein. Es gibt durchaus Szenarien, dass wir in Europa auf eine Zeit der Stagnation einschwenken.

Und wie lebt es sich in einer solchen Stadt?

Vielleicht entsteht eine neue Form von Lebensqualität. Über die Zumutungen der sich ständig beschleunigenden Stadtökonomie wird ja viel geschrieben. Vielleicht ist die Idee einer Zero City auch ein Ausweg daraus.

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