VW unterstützt US-Gewerkschaft: Revolution in Chattanooga

Volkswagen will in seinem Werk in Tennessee einen Betriebsrat nach deutschen Vorbild einführen. In dem gewerkschaftsfeindlichen Bundesstaat eine Premiere.

Passat-Produktion in Chattanooga, im US-Bundesstaat Tennessee. Bild: dpa

DETROIT afp | Für die Volkswagen-Chefetage ist der Standort Chattanooga ein Prestigeprojekt: Von der 2011 eröffneten Produktionsanlage aus will der deutsche Autobauer trotz der jüngsten Absatzeinbrüche die Eroberung des US-Marktes schaffen. Dem VW-Gesamtbetriebsrat ist das Werk im Bundesstaat Tennessee dagegen ein Dorn im Auge: Chattanooga verfügt bislang als einzige große Fabrik des Konzerns über keine Mitarbeitervertretung.

Ein Betriebsrat nach deutschem Vorbild soll das nun ändern und könnte Signalwirkung für die gesamte Autoindustrie in den USA haben. Doch das Vorhaben stößt in den traditionell gewerkschaftsfeindlichen Südstaaten auf Widerstand.

Am Montag teilte Volkswagen mit, dass die Belegschaft in Chattanooga vom 12. bis zum 14. Februar über die künftige Mitbestimmung entscheiden werde. Geplant ist demnach die Einrichtung eines Betriebsrats, der über die Arbeitsbedingungen in dem Werk wachen soll.

Bei Arbeitszeiten und Gehältern soll die US-Autogewerkschaft UAW die Arbeitnehmer vertreten. Außerdem würden die Arbeiter von Chattanooga einen Sitz im VW-Gesamtbetriebsrat erhalten.

Die UAW muss mit ins Boot

Unter dem Druck des Gesamtbetriebsrats versucht der Wolfsburger Konzern schon länger, eine Lösung für die Mitbestimmung in seinem US-Werk zu finden. Das Arbeitsrecht in den Vereinigten Staaten schreibt allerdings vor, dass Arbeitnehmervertretungen in Betrieben nur unter Einbeziehung einer staatlich anerkannten Gewerkschaft gegründet werden können. Volkswagen musste also die UAW ins Boot holen.

Die Vereinbarung mit Volkswagen setze einen „neuen Standard in den USA für innovative Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Management“, erklärte Gewerkschaftschef Bob King. Sollte die Belegschaft die Pläne absegnen, wäre das ein großer Sieg für die gebeutelte UAW.

Mit 11,3 Prozent ist der Anteil der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter und Angestellten in den USA so niedrig wie seit den 1930er Jahren nicht mehr. Die Mitgliederzahlen der UAW sind von 1,5 Millionen im Jahr 1979 auf aktuell 383.000 abgestürzt.

Gwerkschaften entmachtet

Ohnehin spielt die UAW bislang nur in den traditionellen Hochburgen der US-Autoindustrie im Norden und Mittleren Westen eine Rolle. Tennessee hat dagegen wie andere konservative Bundesstaaten im Süden die Macht von Gewerkschaften per Gesetz ausgehebelt.

Als sich VW und andere ausländische Autobauer in den USA ansiedelten, wählten sie wegen der niedrigeren Arbeitskosten allesamt Standorte in den Südstaaten. BMW produziert seit 1994 in Spartanburg im Bundesstaat South Carolina, Mercedes ist seit 1996 mit einem Werk in Tuscaloosa in Alabama präsent. Auch Autokonzerne aus Japan und Südkorea ließen sich in der Gegend nieder, um vor Ort für den nordamerikanischen Markt Fahrzeuge herzustellen.

Die Umsetzung eines deutschen Modells in Chattanooga könnte die Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern in der Autoindustrie insgesamt umkrempeln, glaubt Professor Harley Shaiken von der Universität von Kalifornien in Berkeley. Allerdings würden diese Vorstellungen heftig mit einer „Anti-Gewerkschafts-Ideologie“ in den Südstaaten kollidieren.

Konservative Politiker dort fürchten, dass der Einzug von Gewerkschaften Investoren verschrecken und Arbeitsplätze kosten werde. Außerdem werfen sie der UAW vor, mit ihren Lohn- und Pensionsforderungen die Krise bei den US-Autoriesen General Motors, Chrysler und Ford vor einigen Jahren verschärft zu haben.

Wütende Republikaner

In Tennessee wetterten vor allem der republikanische Gouverneur Bill Haslam und der republikanische Senator Bob Corker gegen die Gründung eines Betriebsrats im VW-Werk. Die UAW sei eine "zerstörerische Kraft", sagte Corker im November.

Volkswagen hofft derweil auf eine zügige Regelung. Der Konzern erwägt nämlich, am Standort Chattanooga einen neuen Geländewagen für den US-Markt zu produzieren. Damit will VW eine oft bemängelte Lücke in seiner Fahrzeugpalette schließen und den jüngsten Abwärtstrend bei den Verkäufen in den Vereinigten Staaten wieder umkehren.

Der mächtige Gesamtbetriebsrat könnte die Entscheidung darüber aber blockieren, sollten die Arbeitnehmer in Tennessee keine Möglichkeit zur Mitsprache bekommen.

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