Vattenfall: Der PR-GAU

Salamitaktik und Gegenangriffe: Im Umgang mit den Pannen im AKW Krümmel macht Vattenfall alle Fehler, die bei Krisen-PR möglich sind.

Das Image ist angeknackst - da helfen keine Plakete Bild: dpa

Für diesen Sommer hatten die deutschen Stromkonzerne ein klares Ziel. Mit Anzeigen werben sie für ihre Atomkraftwerke als "ungeliebte Klimaschützer". Die Lobbyarbeit für längere AKW-Laufzeiten läuft auf Hochtouren; beim Energiegipfel im Kanzleramt wollten sie der Forderung am 3. Juli Nachdruck verleihen. Eine Woche später diskutiert Deutschland tatsächlich wieder über den Atomausstieg - allerdings über die Frage, wie man ihn beschleunigen kann.

Was nach einem gelungenen PR-Coup von Atomkraftgegnern klingt, hat der Stromkonzern Vattenfall ganz allein geschafft. Mit gefährlichen Fehlern bei einem Brand im Atomkraftwerk Krümmel - und vor allem mit einer Informationspolitik, die auch den größten Atomfan an der Zuverlässigkeit der Betreiber zweifeln lässt.

"Wir haben verstanden", sagt der Chef der Kernenergiesparte von Vattenfall nun, "dass die Öffentlichkeit schnellere und umfassendere Informationen wünscht." Eine sensationelle Erkenntnis für ein Unternehmen, das Atomkraftwerke betreibt und im schwedischen Reaktor Forsmark bereits Erfahrungen mit ernsthaften Störfällen sammeln durfte. In den zwei Wochen, die seit dem Feuer im AKW Krümmel vergangen sind, hat der Energiekonzern es mit der "umfassenden Information" nicht so genau genommen. Die Öffentlichkeitsarbeit liest sich wie ein Lehrbuch für Krisen-PR - aus dem Kapitel "Wie man es auf keinen Fall macht".

Alle Fehler sofort auf den Tisch und bloß keine Aussagen, die sich später als unwahr herausstellen: Diesen Rat von Kommunikationsexperten hat Vattenfall so gründlich ignoriert wie kaum ein Unternehmen zuvor. Salamitaktik lautet stattdessen die Devise der Öffentlichkeitsarbeit: Fast kein Tag ist seit dem Feuer vergangen, an dem der AKW-Betreiber nicht neue Fehler einräumen und frühere Aussagen korrigieren musste. Meist nicht aus freien Stücken, sondern unter Druck von Politik und Medien. Aus dem angeblich kleinen, schnell gelöschten Brand im Trafohäuschen wurde später ein tagelanges Feuer in der zentralen Transformatorstation, die auch für die Kühlung des Reaktors zuständig ist. Die Aussage, dass der Brand (eine "Randerscheinung") keine Auswirkungen aufs Reaktorgebäude gehabt habe, stellte sich später als glatte Lüge heraus. Nicht genug damit, dass im Reaktor eine Pumpe ausfiel, der Kühlwasserstand sank und Ventile fälschlicherweise geöffnet wurden - zudem drang durch die Lüftung Rauchgas in den zentralen Steuerraum des Reaktors ein, sodass der verantwortliche Mitarbeiter nur mit einer Gasmaske weiterarbeiten konnte.

Auch von klaren Verantwortlichkeiten konnte bei Vattenfall keine Rede sein. In den ersten Tagen nach dem Brand schickte das Unternehmen stets einen Pressesprecher vor, der aus zweiter Hand berichtete. Als die Probleme wuchsen, übernahm der Geschäftsführer des Tochterunternehmens Vattenfall Nuclear Energy GmbH, Bruno Thomauske, die Kommunikation. Auch er schaffte mit widersprüchlichen Aussagen eher Verwirrung als Klarheit. Erst als die Schlagzeilen daraufhin immer größer und negativer wurden, trat der Vorstandschef von Vattenfall Europe, Klaus Rauscher, am Dienstag erstmals vor die Kameras.

Abgesehen von den absurden Bedingungen bei dieser Pressekonferenz - am Nachmittag kurz vor Redaktionsschluss vieler Medien in einem Raum mit miserabler Akustik, der nur die Hälfte der anwesenden Journalisten fasste -, trug auch der Chef nur wenig zur Aufklärung bei. "Verantwortlich sind die Verantwortlichen, und die müssen sich der Verantwortung stellen", sagte er zur Frage nach personellen Konsequenzen und zum Wunsch des Umweltministeriums, Mitarbeiter aus dem Kraftwerk zu befragen.

Nachdem Rauscher die tägliche Pannenserie um einen Bericht über fehlerhafte Dübel in sicherheitsrelevanten Teilen des Atomkraftwerks bereichert hatte, beging er dann einen weiteren Kardinalfehler der Krisenkommunikation: den Gegenangriff. In bester verschwörungstheoretischer Manier beschuldigte er die Politik, die Zwischenfälle in Krümmel und Brunsbüttel zu "instrumentalisieren", um die Atomkonzerne zu schädigen. "Wir erleben Angriffe aus einer Richtung, die die Nutzung der Kernenergie grundsätzlich ablehnt." Dass auch Vattenfall den Atomkonsens unterschrieben hat, stört Rauscher dabei nicht: "Ich bezeichne das als Kampagne."

Die Schlagzeilen und Kommentare am nächsten Morgen beweisen es: Mit der Kombination aus technischer Überforderung und völliger Uneinsichtigkeit bringt das Unternehmen auch die letzten Atomfans in der Politik - bis hin zur Kanzlerin - gegen sich auf.

Über fehlende Unterstützung durch Vattenfall können sich die Atomkraftgegner und Fans der Energiewende wahrlich nicht beschweren.

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