Verbotsverfahren in Karlsruhe: NPD kündigt „Knaller“ an

Der erste Versuch scheiterte. Nun verhandelt das Bundesverfassungsgericht erneut über ein NPD-Verbot. Fragen und Antworten zum Thema.

NPD-Fahne

Könnte bald Geschichte sein: NPD. Foto: dpa

Wann kann eine Partei verboten werden?

Das Grundgesetz erlaubt das Verbot von Parteien, die darauf abzielen, die „freiheitliche demokratische Grundordnung“ zu beeinträchtigen oder zu beseitigen.

Was wirft der Bundesrat der NPD konkret vor?

Die NPD ziele auf Abschaffung der parlamentarischen Demokratie durch einen ethnisch reinen „Volksstaat“. Selbst eingebürgerte Deutsche sollen als Ausländer behandelt werden und Deutschland verlassen. Die NPD sei antisemitisch und mit der NSDAP des Dritten Reichs wesensverwandt. In Teilen Deutschlands verbreite die NPD ein Klima der Angst und gefährde dadurch unmittelbar die Demokratie.

Wie verteidigt sich die NPD?

Bisher hat sie sich inhaltlich noch gar nicht zum Verbotsantrag geäußert. Sie hat nur die Einstellung des Verfahrens beantragt, weil sie sich nicht unbeobachtet auf den Prozess vorbereiten könne. Ihr Anwalt Peter Richter hat allerdings für die Verhandlung nächste Woche einige „Knaller“ angekündigt.

Wie wird die Verhandlung am Bundesverfassungsgericht ablaufen?

Zunächst geht es um mögliche Verfahrenshindernisse, insbesondere die Beeinflussung und Ausspähung der NPD durch V-Leute des Verfassungsschutzes. Dann wird diskutiert, welcher Maßstab für ein Parteiverbot zeitgemäß ist, ob zum Beispiel eine konkrete Gefahr für die Demokratie erforderlich ist oder ob eine abstrakte Gefahr genügt. Abschließend wird geprüft, ob die NPD nach diesem Maßstab zu verbieten ist.

Hat der Staat die V-Leute in der NPD abgeschaltet?

Die Verfassungsschutzämter haben Anfang 2012 die Zusammenarbeit mit allen Informanten in den NPD-Vorständen auf Bundes- und Landesebene beendet. Dies waren elf Personen. V-Leute ohne Führungsfunktion gibt es aber weiterhin. Der Bundesrat garantiert, dass im Verbotsantrag keine Äußerungen von NPD-Funktionären zitiert werden, die nach 2003 als V-Leute beim Verfassungsschutz unter Vertrag standen.

Werden in der mündlichen Verhandlung Zeugen über ihre Erfahrungen mit der NPD befragt?

Das ist nicht geplant. Das Bundesverfassungsgericht hat aber neun „Auskunftspersonen“ geladen, darunter Experten für Rechtsextremismus, aber auch ehemalige NPD-Vorsitzende wie Holger Apfel, Udo Voigt und Udo Pastörs. Apfel, der seit seinem Parteiaustritt eine Kneipe auf Mallorca führt, soll zum Beispiel sein Konzept der „seriösen Radikalität“ erläutern.

Welche Mehrheit ist in Karlsruhe für ein Verbot erforderlich?

Laut Gesetz müssen mindestens sechs der acht Richter des Zweiten Senats für ein Parteiverbot stimmen. Die Amtszeit von Richter Landau endet allerdings schon Ende April. Sollte er vor der Abstimmung ausscheiden, müssten sechs von dann noch sieben Richtern zustimmen. Schon zwei Richter könnten dann also ein Verbot blockieren.

Wird der Verbotsantrag erfolgreich sein?

Im Moment deutet vieles darauf hin. In einem Vorverfahren haben die Verfassungsrichter den Verbotsantrag bereits eingehend geprüft. Mit der Ansetzung der mündlichen Verhandlung erklärten die Richter implizit, dass der Antrag „hinreichend begründet“, also auf dem Papier plausibel, ist. Offensichtlich will das Gericht als Maßstab für ein Verbot keine konkrete Gefahr für die Demokratie verlangen.

Kann die NPD gegen ein Verbot Rechtsmittel einlegen?

Die NPD kann gegen ein Verbot den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg anrufen und hat dies auch bereits angekündigt. Der EGMR hat schon viele Parteiverbote, insbesondere in der Türkei, beanstandet, weil keine „dringende gesellschaftliche Notwendigkeit“ hierfür bestand.

Nur zwei Parteiverbote hatten bisher in Straßburg Bestand: das Verbot der baskischen Herri Batasuna 2009, die sich nicht ausreichend von der baskisch-separatistischen Terrororganisation ETA distanzierte, und das Verbot der türkischen Refah-Partei 2003, die für Muslime das islamische Rechtssystem einführen wollte und zeitweise sogar an der Regierung beteiligt war.

Der EGMR berücksichtigt in seiner Rechtsprechung oft die nationale Vergangenheit der Staaten. Dies könnte dafür sprechen, dass er das Verbot einer NS-nahen Partei wie der NPD auch ohne das Bestehen einer unmittelbaren Gefahr für die Demokratie billigen wird.

Was passiert im Verbotsfall mit den Mandaten der NPD?

Die NPD hat bundesweit rund 360 Mandate in Stadt- und Gemeinderäten, sie sitzt mit fünf Abgeordneten im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern und mit einem Abgeordneten im Europaparlament. Im Bund und in vielen Bundesländern gibt es Gesetze, wonach die Mandate im Falle eines Parteiverbots automatisch entzogen werden. In manchen Ländern, wie Baden-Württemberg, fehlt allerdings eine derartige Vorschrift für die kommunalen Mandate.

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