Verdacht auf Vermischung: Ermittlungen gegen Vattenfall

Vor dem Volksentscheid zum Rückkauf der Energienetze soll der Konzern die Werbung seiner Stromvertriebs und seiner Netzgesellschaft nicht sauber getrennt haben.

Wird juristisch geprüft: Vattenfall-Werbung im Vorfeld des Volksentscheids. Bild: taz

HAMBURG taz | Die Bundesnetzagentur hat ein Verfahren gegen den Energiekonzern Vattenfall eingeleitet. Die Bundesbehörde verdächtigt den Konzern, mit seiner Werbung die Aktivitäten seiner Stromhandelsgesellschaft mit den Aktivitäten seiner Netzgesellschaft namens „Stromnetz Hamburg“ vermischt zu haben. Das würde dem Energiewirtschaftsgesetz widersprechen, das eine strikte Trennung zwischen Netz und Vertrieb auch dann vorsieht, wenn beide Bereiche zum gleichen Unternehmen gehören. Nach einem ähnlichen Vorwurf war es der Verbraucherzentrale Hamburg im Herbst vergangenen Jahres gelungen, Vattenfall zum Unterlassen einer auf das Netz bezogenen Werbung zu verpflichten.

Die Entflechtung der Gesellschaften für den Netzbetrieb und den Stromhandel geht auf die Liberalisierung des Strommarktes Ende der 1990er Jahre zurück. Der Gesetzgeber wollte die Netzgesellschaften zur Neutralität verpflichten: Der Strom jedes Anbieters sollte zu gleichen Bedingungen durch das Netz geleitet werden. Mit Blick auf Netz und Vertrieb darf bei Vattenfall sozusagen die rechte Hand nicht wissen, was die linke tut.

Die von der Verbraucherzentrale Hamburg und in Berlin von dem Stromhändler Lekker Energie kritisierten Anzeigen schaltete Vattenfall im Vorfeld der in beiden Städten anstehenden Volksentscheide über einen Rückkauf der Versorgungsnetze für Strom, Gas und Fernwärme durch die Stadt. In Hamburg hieß es im Frühjahr: „Als Partner für Wärme und Strom garantieren Hamburg und Vattenfall eine sichere Energieversorgung.“ Später lief eine Anzeige mit dem Satz: „In Hamburg hält die Stromnetz Hamburg das Leitungsnetz in einem erstklassigen Zustand und sorgt für eine sichere Stromversorgung.“ Dabei stand ein Link zu Vattenfall.

Parallel zur Bundestagswahl am 22. September können die HamburgerInnen entscheiden, ob die Versorgungsnetze für Strom, Gas und Fernwärme vom Senat zurückgekauft werden sollen.

Die Volksinitiative wird von einem zivilgesellschaftlichen Bündnis aus 45 Organisationen getragen. Die Vertrauensleute kommen vom Umweltverband BUND, der Verbraucherzentrale und der Diakonie.

25,1 Prozent der Versorgungsnetze hat der SPD-Senat bereits zurückgekauft und dabei mit Vattenfall ein Investitionspaket vereinbart. Mehr sei nicht finanzierbar und bringe nichts.

Für die Energiewende reiche diese Sperrminorität nicht aus, argumentiert die Initiative. Der Senat müsse steuern können, um die Netze für eine dezentrale Energieversorgung umbauen zu können.

„Es kann nicht Aufgabe eines Netzbetreibers sein, im Vorfeld eines Volksentscheids politische Werbung zu betreiben“, findet die Verbraucherzentrale. Vielmehr gehe das Energiewirtschaftsgesetz davon aus, dass ein Stromnetzbetreiber als Sachwalter eines natürlichen Monopols keine Werbung brauche und äußerst sparsam zu wirtschaften habe.

„Aufgrund der Werbemotive ist davon auszugehen, dass die Kosten der Werbekampagne zumindest zum Teil von der Stromnetz Hamburg GmbH getragen werden“, spekuliert die Verbraucherzentrale. Sollte das Geld nicht von der Netzgesellschaft kommen, wäre der Befund aus Sicht der Verbraucherschützer ebenfalls bedenklich: „Der Stromlieferant Vattenfall würde sich in diesem Fall mit den Leistungen des Netzbetreibers in Bezug auf Versorgungssicherheit schmücken.“ Insgesamt gelte es, eine Verwechslung zwischen den Gesellschaften für Netz und Betrieb zu vermeiden.

Die Bundesnetzagentur sieht diese Gefahr, weshalb sie das Verfahren wegen eines möglichen Verstoßes gegen die Entflechtungsvorschriften eingeleitet hat. Mit Interesse nahm die Agentur zwei Anzeigen-Sonderveröffentlichungen von Vattenfall zur Kenntnis, die der Hamburger Bild-Zeitung und dem Hamburger Abendblatt beilagen. In den Broschüren wird das Stromnetz erläutert und von einem Rückkauf der Energienetze abgeraten. „Vor diesem Hintergrund sehen wir das durchaus kritisch“, sagte Sprecherin Yvonne Grösch. Die Beilagen flössen in das Verfahren ein.

Vattenfall-Sprecher Stefan Kleimeier versichert: „Die Netzgesellschaft ist an der Veröffentlichung finanziell nicht beteiligt.“ Die Werbung sei von der Vattenfall-Holding veröffentlicht worden, die das ganze Geschäft betreibe. Die darunter angesiedelte Netzgesellschaft heiße inzwischen Stromnetz Hamburg und habe auch ein eigenes Logo. Die Vorgabe im Energiewirtschaftsgesetz, Verwechslungen zu vermeiden, richte sich nur an Netzbetreiber. „Es muss der Holding gestattet sein, über ihr Geschäft zu sprechen und auch darüber, woran sie beteiligt ist“, findet Kleimeier.

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