Verdachtskündigung zulässig: Wer Bienenstich nascht, fliegt raus

Das Bundesarbeitsgericht lässt Verdachtskündigungen ebenso zu wie die Kündigung wegen des unerlaubten Verzehrs geringwertiger Dinge. Beispielsweise eines Stücks Kuchen.

Finger weg, wem der Job lieb ist. Bild: dpa

FREIBURG taz Das Berliner Urteil fällt nicht aus dem Rahmen der bisherigen Rechtsprechung. Das Bundesarbeitsgericht lässt sowohl Verdachtskündigungen zu als auch Kündigungen beim Diebstahl ganz geringwertiger Dinge. Vor allem Letzteres ist problematisch.

Bei der Verdachtskündigung genügt es nicht, dass der Arbeitgeber einen vagen Verdacht äußert. Er muss schon so konkrete Verdachtsmomente haben, dass von einem "dringenden Tatverdacht" gesprochen werden kann.

Die aus dem Strafrecht bekannte Unschuldsvermutung hat im Arbeitsrecht keine Wirkung. Im Strafrecht gilt eine Person so lange als unschuldig, bis ein Gericht nach Würdigung aller Beweise zur Überzeugung gelangt ist, dass der Angeklagte die vorgeworfene Tat begangen hat. Im Arbeitsrecht ist dagegen die fristlose Kündigung auch möglich, bevor die Schuld bewiesen ist - auch dann, wenn sich der Sachverhalt nie endgültig aufklären lässt. Entscheidend für die Rechtmäßigkeit der Verdachtskündigung ist laut Bundesarbeitsgericht das zerstörte Vertrauen. Dem Arbeitgeber sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch bei einem dringenden Verdacht nicht mehr zumutbar. Der Verdachtsgrad muss allerdings erheblich sein. So ist es nicht möglich, drei Personen zu kündigen, die alle Zugang zu einem Tresor hatten, aus dem Geld fehlte. Ein Verdachtsgrad von nur 33,3 Prozent hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg nicht ausreichen lassen.

Unabhängig von der Zulässigkeit einer Verdachtskündigung stellt sich die Frage, ob ein Arbeitgeber auch wegen Diebstahls ganz geringwertiger Sachen fristlos kündigen darf. Das Bundesarbeitsgericht hat dies 1984 im "Bienenstich-Urteil" bejaht. Eine Kuchenverkäuferin hatte ein Stück Bienenstich aus der Auslage genommen und gegessen. Das Bundesarbeitsgericht hielt eine fristlose Kündigung für gerechtfertigt, weil der Mitarbeiterin der Kuchen anvertraut war und sie im Prozess kein Unrechtsbewusstsein zeigte.

Eine fristlose Kündigung wurde auch für möglich gehalten, als eine Verkäuferin zwei Päckchen Tabak entwendete, oder beim Diebstahl von zwei Flaschen Wein und zwei Flaschen Apfelkorn durch einen Außendienstmitarbeiter.

Allerdings sind solche strengen Urteile unter Arbeitsrechtlern umstritten. Viele halten bei der Wegnahme geringwertiger Sachen eine Abmahnung für ausreichend, wenn der Arbeitnehmer zum ersten Mal negativ aufgefallen ist. Als milderes Mittel zu einer fristlosen Kündigung käme außerdem noch die fristgemäße Kündigung in Betracht.

Dass Beamte nach einem Fehlverhalten schwerer aus dem Dienst entfernt werden können, zeigt ein Vorgang in Freiburg. Dem ehemalige Chefarzt am Uniklinikum wurden Kunstfehler und Vertuschung vorgeworfen. Er wurde strafrechtlich verurteilt, und das Klinikum wollte ihn wegen des verlorenen Vertrauens nicht mehr einstellen. Doch das Land hielt eine zwangsweise Entlassung für aussichtslos. Um ihm loszuwerden, bekommt er eine Abfindung von zwei Millionen Euro.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.