Verdeckte Ermittler bei Fußballfans: „Das führt zu weiterer Eskalation“

Jan Korte, MdB der Fraktion Die Linke, fordert ein Stadionverbot für verdeckte Ermittler der Polizei in der Fußballfanszene. Alles andere sei „staatliche Schnüffelei“.

Gegnerische Teams auf dem Platz: Fans und Polizei. Bild: dapd

taz: Herr Korte, wie jetzt bekannt wurde, versucht die Polizei V-Leute in Ultragruppierungen einzuschleusen. Unter dem Deckmantel der Fankultur käme es dort auch zu Straftaten, so die Argumentation. Was spricht gegen dieses Vorgehen der Sicherheitsbehörden?

Jan Korte: Gegen die Praxis spricht nach der historischen wie auch aktuellen Erfahrung, dass sie bei den Fans und in der Gesellschaft generell für Misstrauen sorgt. Ein solches Vorgehen ist nie verträglich mit einem demokratischen Rechtsstaat. Die staatliche Schnüffelei in den Fankurven deutscher Stadien hat mit dem Fair-Play-Gedanken des Fußballsports nichts zu tun und muss aufgeklärt werden. Ich fordere ein sofortiges Stadionverbot für V-Leute. Außerdem muss jetzt natürlich in Bund und Ländern geklärt werden, inwieweit die V-Leute bei Ausschreitungen als engagierte Provokateure aufgetreten sind und ob wirklich nur die Ultras von der Bespitzelung betroffen sind.

Sie vermuten, dass V-Leute Krawalle provoziert haben könnten?

Der 35-Jährige sitzt seit 2005 im Deutschen Bundestag. Er ist Mitglied des Innenausschusses und im Vorstand der Fraktion Die Linke. Korte spielt selbst nicht Fußball, gilt aber als passionierter Angler.

Die Frage müssen wir zumindest stellen, denn Ähnliches zeigt die generelle Erfahrung mit der V-Leute-Praxis. Noch wissen wir nicht viel, aber wir, die Linksfraktion, bereiten jetzt eine Kleine Anfrage vor [Fragestellung eines Parlamentariers an die Exekutive, sie ist ein Instrument der parlamentarischen Kontrolle; d. Red.], die schnellstmöglich eingebracht werden soll. Es muss offengelegt werden, seit wann und in welchem Umfang das Ganze praktiziert wird.

Ultragruppierungen sind nach außen hin stark abgeschottete Gruppen, die bisweilen auch kriminelle Handlungen tolerieren. Welche Handlungsalternativen sehen Sie?

Ich sehe da im Grunde nur eine Möglichkeit: den Dialog zwischen Fans, Polizei und Politik. Miteinander ins Gespräch zu kommen, um Gewalt – was logischerweise unser aller Anliegen ist – präventiv zu begegnen. Einige Länder und im Rahmen der Innenministerkonferenz auch der Bundesinnenminister setzen aber auf Kontrolle und Überwachung. Und das ist der falsche Weg. Man kann nicht pauschal ganze Fangruppierungen mit Methoden bekämpfen, die man ansonsten zur Verbrechensbekämpfung benutzt.

Normale Fans werden also unter Generalverdacht gestellt?

Richtig. Ein solches, letztlich geheimdienstliches Vorgehen bedeutet, dass alle mit ins Visier kommen. Das heizt natürlich das Misstrauen an, anstatt Vertrauen zu schaffen.

Welche Gefahren birgt die V-Leute-Problematik für die ohnehin angespannte Situation zwischen Fans, Politik und DFB?

Der Dialog zwischen Fanvertretern, DFB und Innenbehörden ist beschädigt. Der DFB muss sich nun entscheiden, ob er nicht endlich die Fanvertreter in alle Gespräche, in denen es um die Sicherheit oder Stadionverbote geht, einbindet. Und die Politik muss klarstellen, dass sie auf Gemeinsamkeiten und Dialog setzt. Doch was aktuell gemacht wird, ist das genaue Gegenteil. Es darf nicht das Ziel der Politik sein, eine Hochsicherheitszone wie jetzt in London um Stadien und Fans zu ziehen. Das spaltet, anstatt zusammenzuführen. Dies führt nur zu weiterer Eskalation.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.