Vereidigung von Lukaschenko in Belarus: „Ich kann nicht anders“

Unangekündigt und hinter verschlossenen Türen läutet Machthaber Lukaschenko in Belarus seine neue Amtszeit ein. Zuvor lässt er halb Minsk sperren.

Präsident Alexander Lukaschenko in Armeeuniform salutiert

Ungeachtet der Massenproteste: Präsident Alexander Lukaschenko tritt sechste Amtszeit an Foto: Andrei Stasevich/BelTA/ap/dpa

MINSK/BERLIN dpa/rtr/ap/afp | In einer klandestinen Spezialoperation hat sich der umstrittene Staatschef von Belarus, Alexander Lukaschenko, zum sechsten Mal ins Amt einführen lassen.

Der Machthaber ließ am Morgen in Minsk die großen Straßen – den Prospekt der Unabhängigkeit und den Prospekt der Sieger – sperren, um sich mit großer Eskorte durch die Stadt zum Unabhängigkeitsplatz chauffieren zu lassen. Der öffentliche Nahverkehr wurde eingestellt. Im Präsidentenpalast warteten 700 handverlesene Gäste – vor allem von den Streitkräften.

Der von seinen Kritikern als „letzter Diktator Europas“ beschimpfte Lukaschenko schwor seinen Eid auf die Verfassung in belarussischer Sprache und ließ sich von Wahlleiterin Lidija Jermoschina die Amtsurkunde aushändigen. Ursprünglich war der Akt erst für November geplant.

„Ich kann nicht anders; ich habe kein Recht, die Menschen in Belarus fallen zu lassen“, betonte Lukaschenko und meinte, es würden alle Probleme gelöst. Der einzige Weg, um in Zukunft zu überleben, sei ein „starker Machtapparat“. 2020 werde in die Geschichte als „sehr emotionales Jahr“ eingehen.

Oppositionsführerin ­Tichanowskaja

„Lukaschenko ist weder das legale noch das legitime Staatsoberhaupt“

Feige Amtseinführung im Geheimen

„Seine geheime Vereidigung ist ein Versuch, die Macht zu ergreifen“, sagte die nach Litauen ausgereiste Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja. „Das heißt auch, nach dem Tag heute ist Alexander Lukaschenko weder das legale noch das legitime Staatsoberhaupt von Belarus“, sagte sie in einer Rede vor der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Vilnius.

Der einzige Ausweg aus der politischen Krise des Landes seien freie und faire Wahlen. In einer Videobotschaft nannte sie Lukaschenkos Zeremonie eine „Farce“ und sagte, sie sei die einzige rechtmäßige Vertreterin des Volkes von Belarus. Lukaschenko hingegen sei jetzt „Rentner“. Er habe kein Mandat mehr vom Volk.

„Ein Mensch, der 80,1 Prozent der Stimmen erhalten haben will, versteckt sich nicht vor seinem Volk und erledigt seine Amtseinführung im Geheimen“, sagte der Politologe Waleri Karbelewitsch in Minsk zu Lukaschenkos Schritt. Diese Geheimoperation werde dazu führen, dass sich die schwere politische Krise im Land fortsetze und vertiefe. „Auch die Spaltung in der Gesellschaft wird größer, denn die Mehrheit der Menschen in Belarus erkennt diese Wahl nicht an.“

Von einer „Schande“ und einer Aktion wie in einem Verbrecherstaat sprach der frühere Kulturminister Pawel Latuschko, der in der Opposition ist und das Land verlassen hat. Der Kreml in Moskau teilte mit, nichts gewusst zu haben von dem Termin.

Aufruf zu weiteren Massenprotesten

Hunderttausende Menschen haben seit der umstrittenen Präsidentenwahl vom 9. August regelmäßig in Minsk und anderen belarussischen Städten gegen Lukaschenko protestiert und seinen Rücktritt gefordert. Auch am Tag der überraschenden Amtseinführung protestierten Menschen in Minsk. Sie hielten Transparente mit Parolen wie „Der König hat keine Kleider“ und „Der Sieg wird dem Volk gehören“ in die Höhe.

Mehr Geschichten über das Leben in Belarus: In der Kolumne „Notizen aus Belarus“ berichten Janka Belarus und Olga Deksnis über stürmische Zeiten – auf Deutsch und auf Russisch.

Es gab erneut Festnahmen. In sozialen Medien wurden für den Abend Massenproteste angekündigt. Der Oppositionelle Pawel Latuschko rief zu „unbegrenztem zivilen Ungehorsam“ auf.

Auch Deutschland erklärte, dass Lukaschenko keine Legitimität mehr für das Amt besitze. „Dass diese Zeremonie heimlich vorbereitet und unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt wurde, ist ja schon sehr bezeichnend“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Die gesamte EU hat die Wahl nicht anerkannt und Lukaschenko das Recht abgesprochen, weiterzuregieren.

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