Verfassungsgericht entscheidet: Beamte angemessen bezahlen

Es gilt ein dreistufiges Prüfverfahren. Die Richter des Verfassungsgerichts legen fest, ab wann die Besoldung von Beamten unzureichend ist.

Vorbildliche Vergütung: Das Prüfverfahren für die Richterbesoldung soll künftig für alle Beamten gelten. Foto: dpa

KARLSRUHE taz | Beamte dürfen nicht von der allgemeinen Lohnentwicklung abgekoppelt werden. Das hat am Freitag der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden. Den Verfassungsrichtern lagen vier Fälle aus Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Niedersachsen vor. Moniert wurde zunächst nur die Beamtenbesoldung in Sachsen.

Im Grundgesetz steht zwar nichts Konkretes zur Beamtenbesoldung. Gewährleistet sind aber die „Grundsätze des Berufsbeamtentums“, zu denen auch das so genannte „Alimentationsprinzip“ gehört. Gemeint ist damit der Anspruch der Beamten auf einen „angemessenen“ Lebensunterhalt.

Weil der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung einen weiten Spielraum habe, wollen die Verfassungsrichter nur kontrollieren, ob die Beamtenbesoldung „evident unzureichend“ ist. Hierzu hatte Karlsruhe im Mai in seinem Urteil zur Richterbesoldung ein dreistufiges Prüfungsmodell entwickelt, das es nun auch auf die Bezahlung der rund 1,7 Millionen Beamten von Bund, Ländern und Gemeinden anwendete.

In der ersten Stufe werden fünf Punkte geprüft: Entfernt sich die Beamtenbesoldung (erstens) zu sehr von den Tarifabschlüssen der Angestellten im öffentlichen Dienst? Werden Beamte (zweitens) von der allgemeinen Lohnentwicklung im jeweiligen Land und (drittens) von der Preisentwicklung abgekoppelt? Dabei gelten jeweils fünf Prozent Abweichung binnen 15 Jahren als negatives Indiz.

15 Prozent über Hartz IV

Viertens dürfen sich die Abstände zwischen den Besoldungsgruppen binnen fünf Jahren nicht um mehr als zehn Prozent verringern. Die unterste Besoldungstufe muss netto 15 Prozent über Hartz IV liegen. Und fünftens soll die Beamtenbesoldung in einem Land nicht mehr als zehn Prozent unter dem Bundesdurchschnitt liegen.

Wenn mindestens drei dieser fünf Kriterien erfüllt sind, besteht eine Vermutung, dass die Beamten im jeweiligen Land verfassungswidrig schlecht bezahlt werden.

In einer zweiten Prüfungsstufe kann die Vermutung dann erhärtet oder widerlegt werden. Hier ist zu prüfen, ob die Bezahlung die besondere Qualität und Verantwortung des jeweiligen Beamten entspricht. Auf dieser Stufe sind auch etwaige Kürzungen bei der Beihilfe und in der Altersversorgung zu berücksichtigen.

In der dritten Prüfungsstufe kann der Staat geltend machen, dass eine verfassungswidrige Beamtenbesoldung ausnahmsweise gerechtfertigt ist. Hier geht es vor allem um die Einhaltung der Schuldenbremse, die von den Ländern ab 2020 ausgeglichene Haushalte verlangt. Allerdings könne von Beamten nur in „Ausnahmesituationen“, etwa bei Konjunktureinbrüchen und entsprechenden Steuerausfällen, ein Sonderopfer verlangt werden.

An diesem Maßstab prüften die Karlsruher Richter dann die vier vorliegenden Fälle. Danach war die Beamtenbezahlung in Sachsen 2010 in der Besoldungsstufe A 10 verfassungswidrig. Dagegen wurden nordrhein-westfälische Beamte der Stufe A 9 in den Jahren 2003 und 2004 sowie Beamte der Stufen A 12 und A 13 im Jahr 2003 ausreichend bezahlt. Auch das Grundgehalt in der Besoldungsgruppe A 9 in Niedersachsen genügte im Jahr 2005 noch den verfassungsrechtlichen Anforderungen.

Bundesweit werden Beamte nun auf die Einhaltung der neuen Grundsätze pochen. Wenn die angerufenen Verwaltungsgerichte zum Schluss kommen, die Karlsruher Anforderungen werden derzeit in einem Land nicht erfüllt, können sie das Verfahren erneut in Karlsruhe vorlegen.

(Az.: 2 BvL 19/09 u.a.)

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