Verfassungsgericht zur Online-Durchsuchung: Stöbern im fremden Computern

Mittwoch urteilt das Bundesverfassungsgericht über NRWs Verfassungsschutzgesetz - und damit auch über die Online-Durchsuchung. Spannend wird, welche Hürden aufgestellt werden.

Darf Staat übers Netz in privaten Rechnern herumschmökern?

Auf dieses Urteil hat die Politik sehnsuchtsvoll gewartet. Am Mittwoch wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob Onlinedurchsuchungen von Computern mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Es wird damit gerechnet, dass Karlsruhe zumindest strenge Anforderungen stellt. Konkret geht es um das Verfassungsschutzgesetz von Nordrhein-Westfalen. Dort darf der Geheimdienst schon seit über einem Jahr auf "informationstechnische Systeme", also Computer, zugreifen.

Nach Landesangaben aus NRW hat der Geheimdienst von dieser Befugnis allerdings noch nie Gebrauch gemacht. Geklagt hatten Bürgerrechtler sowie der FDP-Politiker Gerhart Baum. "Mit einem einzigen Zugriff kann der Staat hier Daten für ein komplettes Persönlichkeitsbild erheben", hatte Baum kritisiert.

Vermutlich wird Karlsruhe gegenüber den Sicherheitsbehörden das Gesetz zwar wegen mangelnder Bestimmtheit beanstanden, den Zugriff auf private Computer aber nicht völlig verbieten. Schließlich dürfen Computer heute schon beschlagnahmt und ausgewertet werden. Neu ist nur der heimliche Zugriff. Selbst die Tatsache, dass ein Computer auch tagebuchähnliche Inhalte enthalten kann, dürfte dem nicht entgegenstehen. Schließlich hat das Verfassungsgericht erst vor wenigen Wochen in einer unveröffentlichten Kammerentscheidung bekräftigt, dass die Sicherheitsbehörden auch Tagebücher auswerten dürfen, "soweit die Aufzeichnungen über strafbare Handlungen Aufschluss geben". Bei der Durchsicht müssen die Ermittler nur "größtmögliche Zurückhaltung" üben.

Spannend dürfte eher sein, welche Hürden Karlsruhe aufstellt. Darf der Computer nur zur Abwehr terroristischen Gefahren heimlich durchsucht werden oder auch zur Aufklärung von Steuerdelikten? Unangenehm wäre für die Behörden vor allem, wenn Karlsruhe eine "konkrete Gefahr" als Voraussetzung verlangt. Dann wäre dem Verfassungsschutz, der ja weit im Vorfeld von Gefahren agiert, das Mittel versperrt. Und die Polizei dürfte mit der aufwändigen Installierung von Spionagesoftware (sogenannten Trojanern) erst beginnen, wenn es richtig brenzlig wird.

Eventuell wird das Bundesverfassungsgericht sogar eine Grundgesetzänderung fordern, zum Beispiel weil Computer typischerweise in Wohnräumen stehen und heimliche Eingriffe die Unverletzlichkeit der Wohnung berühren. Für die große Koalition wäre das kein größeres Problem, sie hat ja die erforderliche Zweidrittelmehrheit.

Über das Urteil, das am Vormittag verkündet wird, wollen am Mittwochnachmittag sogleich die Koalitionsspitzen auf ihrer Klausurtagung beraten. Vermutlich werden sie dann aber nur verkünden, was eh jeder weiß: dass CDU/CSU und SPD sich einig sind, die Onlinedurchsuchung einzuführen, und dass dabei die Vorgaben des Verfassungsgerichts zu beachten sind.

Auf Bundesebene wurde der Einsatz von Onlinedurchsuchungen bisher vor allem für das Bundeskriminalamt zur Terrorabwehr diskutiert. Denn hier bereitet Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) gerade ohnehin eine Gesetzesnovelle vor. Koalitionsexperten gehen aber davon aus, dass auch andere Sicherheitsbehörden, wie der Verfassungsschutz und die Landespolizeien, Computer ausspähen wollen, sobald Karlsruhe grünes Licht gibt. Neben der Gefahrenabwehr kommt dann auch die Verfolgung bereits verübter Straftaten in Betracht. Hier hat der Bundesgerichtshof im Februar 2007 nur eine gesetzliche Grundlage verlangt. Vorbereitet wurde das Urteil von Richter Wolfgang Hoffmann-Riem, der aus Altersgründen Ende März aus dem Ersten Senat ausscheidet.

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