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Verfassungsreferendum in GuineaMaßgeschneidert für den Juntachef

Am Sonntag lassen Guineas Militärputschisten über eine neue Verfassung abstimmen. Sie soll General Doumbouya den Weg zur Präsidentenwahl ebnen.

„Ich wähle Ja“: Werbeplakat für die neue Verfassung in Guinea will an die Jugend appellieren Foto: Patrick Meinhardt AFP

Conakry taz | „Ich wähle Ja“, steht auf den kleinen Plakaten, mit denen Conakrys Downtown-Distrikt Kaloum vollgepflastert ist. Drumherum gibt es guineische Fahnen. Am Parlamentsgebäude hängen zwei riesige Banner mit dem Gesicht von Guineas Präsident, General Mamady Doumbouya, und der Aufforderung nach einem Ja. Nein-Plakate gibt es in Conakry nirgends.

Am 21. September stimmen die knapp 6,77 Millionen registrierten Wähler in Guinea – rund die Hälfte der Bevölkerung – über eine neue Verfassung ab, die die seit 2021 herrschenden Militärs haben erarbeiten lassen. Das Ziel von General Doumbouya ist klar: Er will es seinem Putschgenossen General Brice Oligui in Gabun gleichmachen, der im August 2023 putschte, im November 2024 bei einem Referendum eine maßgeschneiderte neue Verfassung mit 91 Prozent der Stimmen beschließen ließ und im April 2025 mit 94 Prozent der Stimmen zum Präsidenten gewählt wurde.

Nach Guineas Militärputsch im September 2021, als der gewählte zivile Präsident Alpha Condé gestürzt wurde, war zwar zunächst eine „Über­gangscharta“ in Kraft getreten, die eine Kandidatur der Putschführer bei zukünftigen Wahlen ausschloss. Doumbouya hatte sogar ausdrücklich versprochen, dass „weder ich noch irgendein Mitglied des CNRD (die von ihm geführte Militärjunta) bei kommenden Wahlen antritt“.

Aber aus dem jetzt zur Wahl stehenden Verfassungstext ist diese Beschränkung verschwunden. Die neue Verfassung stärkt außerdem die Macht des ohnehin sehr mächtigen Staatspräsidenten, seine Amtszeit wird von fünf auf sieben Jahre verlängert und eine zweite Parlamentskammer wird geschaffen, der Senat, dessen Mitglieder zu einem Drittel vom Präsidenten ernannt werden.

Keine Chance für Gegner der Verfassung

Ein Nein zu dieser Verfassung ist nicht zu erwarten. Die einzige Nein-Kampagne wird von der Kleinpartei Liberaler Block geführt, die bei den Wahlen 2015 1,4 Prozent holte. Guineas wichtige politische Parteien, zusammengeschlossen in der Koalition Forces Vives, rufen zum Boykott auf.

Aber sie können das nicht offen tun. Die Militärbehörden haben die bis 2021 regierende RPG (Sammlung des guineischen Volkes) und die damalige Hauptoppositionskraft UFDG (Union der demokratischen Kräfte Guineas) im August für 90 Tage suspendiert und die bei früheren Protesten tonangebende zivilgesellschaftliche Koalition FNDC (Nationale Front zur Verteidigung der Verfassung) aufgelöst.

So ist der Referendumswahlkampf ziemlich einseitig. Er besteht größtenteils aus amtlichen Versammlungen, an denen Staatsbedienstete teilnehmen. In der Stadt Kankan trat Doumbouyas Stabschef Djiba Diakité mit mehreren Ministern auf und rief: „Kankan, bist du bereit für 100 Prozent Ja?“

Aber besonders viele Menschen waren nicht zu dieser Kundgebung gekommen, obwohl Kankan die Heimatstadt Doumbouyas ist. Die Stimmung in Guinea ist eher indifferent. „Doumbouya ist doch schon Präsident“, sagt Markthändler Alseny in Conakry. „Die Regierung wirft viel Geld für diese Kampagne aus dem Fenster, mit brandneuen Geländewagen. Sie sollte lieber die Straßen reparieren.“

Für den 5. September – der vierte Jahrestag des Militärputsches – hatte die Oppositionskoalition Forces Vives zu Protesten gegen die neue Verfassung aufgerufen, die sie als „Verrat“ bezeichnet, weil sie Doumbouya den Weg zur Präsidentschaftskandidatur ebnet. Aber es regnete in Strömen, die Straßen von Conakry blieben leer, nur gegen Abend gab es vereinzelte Zusammenstöße von Jugendlichen und Sicherheitskräften, die massiv ausgerückt waren.

Schon am Vorabend waren Polizei und Armee auf Patrouille in Conakrys Wohngebieten gewesen, schüchterten die Leute ein und verhafteten mehrere Oppositionsaktivisten. „Ich verstecke mich, ich fürchte die Festnahme“, schrieb UFDG-Sprecher Souleymane Souza Konaté über Signal.

Getötete und Verschwundene

Die Repression in Guinea ist hart. Menschenrechtsgruppen sprechen von 59 Toten bei Protesten gegen die Militärherrschaft seit 2022. Es verschwinden auch Menschen – ein Phänomen aus früheren Diktaturen, das es unter dem zivilen Präsidenten Condé nicht mehr gegeben hatte.

Die zivilgesellschaftlichen Aktivisten Foniké Menguè und Billo Bah sind seit über einem Jahr verschwunden, als Gendarmen sie entführten, sagen ihre Familien. Die Behörden dementieren, damit etwas zu tun zu haben. Dieses Muster hat auch den Journalisten Habib Marouane Camara und den früheren Bergbauoffiziellen Saadou Nimaga getroffen.

Andere, wie der frühere Anwaltskammervorsitzende Mohamed Traoré, wurden verschleppt, gefoltert und an einem entlegenen Ort wieder freigelassen. Der Oppositionelle Aliou Bah wurde wegen „Beleidigung des Staatschefs“ zu zwei Jahren Haft verurteilt, weil er Fälle des Verschwindenlassens angeprangert hatte.

Der Präsident vertraut seiner Armee nicht

Guinea wird nicht mehr „regiert“, sondern „kommandiert“, ist eine geläufige Redensart in Conakry. Doumbouya hat es gar nicht nötig, selbst groß bei der Verfassungskampagne in Erscheinung zu treten. Er hat auch bisher nicht angekündigt, zur Präsidentschaftswahl antreten zu wollen – nur seine Getreuen wiederholen das immer wieder. Die Wahl könnte noch in diesem Jahr stattfinden.

Doumbouya pendelt zwischen dem Präsidentenpalast und seiner neuen Residenz auf den Loos-Inseln vor Conakry hin und her. Nur selten tritt er öffentlich auf und wenn, schweigt er und ist von Dutzenden schwerbewaffneten maskierten Soldaten umgeben.

Er vertraut nur seinen Spezialkräften, die er vor dem Putsch kommandierte, und nicht dem Rest der Armee. Offiziere, die dem gestürzten Condé loyal waren, sind Säuberungen zum Opfer gefallen. Aber auch der von Doumbouya ernannte neue Stabschef General Sadiba Koulibaly landete im Gefängnis und starb unter ungeklärten Umständen.

Oppositionsführer im Exil

Die Opposition trägt eine Mitverantwortung an ihrer Schwäche. Ihre wichtigsten Führer leben im Exil. Ihre Anhänger im Land riskieren ungern ihr Leben, wenn ihre Anführer das nicht selbst wagen.

Mit der Altersbegrenzung von 80 Jahren für Präsidenten in der neuen Verfassung wäre der 2021 gestürzte Alpha Condé – er ist 87 – von Wahlen ausgeschlossen. Cellou Dalein Diallo, Hauptoppositionsführer gegen Condé und jetzt mit ihm gegen die Militärherrschaft verbündet, ist nur 73, aber nach seinen Angaben haben guineische Diplomaten verhindert, dass er sich in seinem Exil in Abidjan in der Elfenbeinküste als Wähler registriert.

Druck von außen auf Guinea gibt es wenig. In ganz Westafrika sind Militärregierungen in Mode gekommen. Die Militärregierung von Guinea spielt gekonnt mit den Spannungen zwischen den Militärregimen in Mali, Burkina Faso und Niger auf der einen Seite und der Regionalorganisation Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) auf der anderen. Ecowas will nicht noch ein viertes Mitglied verlieren und ist daher mit Guinea nachsichtig.

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