Verfassungsschutz in Thüringen: Landesregierung schaltet V-Leute ab

Der Innenminister Thüringens setzt den Koalitionsvertrag um und beendet das umstrittene V-Leute-System. Die Opposition hält das für „gefährlich und lebensfremd“.

Bodo Ramelows Regierung in Thüringen macht Ernst und setzt ihren Koalitionsvertrag um. Bild: dpa

ERFURT afp/taz | Thüringen setzt eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag um und schafft alle V-Leute beim Verfassungsschutz ab. Wie die Thüringer Allgemeine berichtet, traf Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) diese Entscheidung in Abstimmung mit Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). Anschließend informierte er die Parlamentarische Kontrollkommission des Landtages.

Die Zeitung zitierte das thüringische Innenministerium mit den Worten, dass auf der Basis des Koalitionsvertrags das „System der V-Leute nicht fortgeführt“ werde. In „begründeten Einzelfällen zum Zweck der Terrorismusbekämpfung“ seien aber Ausnahmen möglich. Bis zum Ende des Jahres sollen dem Bericht zufolge nun noch sogenannte Nachsorgetreffen abgehalten werden.

Das V-Leute-System ist in den vergangenen Jahren mehrfach in die Kritik geraten. So wurde im Zuge der Ermittlungen zum NSU-Komplex deutlich, dass zumindest Teile der rechten Szenestrukturen von den finanziellen Zuwendungen für V-Leute aufgebaut wurden.

Ebenso wurde wiederholt die Frage der Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit der durch V-Leute gewonnenen Informationen bezweifelt. In den NSU-Untersuchungsausschüsse des Bundes und der Länder, wie auch durch die Nebenkläger im NSU-Prozess, werden diese Zweifel immer wieder verstärkt.

„Unmittelbare Einschätzungen und Eindrücke von Menschen“

CDU-Fraktionschef Mike Mohring kritisierte derweil die Entscheidung der Landesregierung. „Rot-Rot-Grün führt Thüringen in die Isolation“, sagte er der Zeitung. Es sei „gefährlich und lebensfremd“, den Verfassungsschutz seiner wichtigsten Quellen zu berauben. Der Linken-Abgeordnete Steffen Dittes sagte dazu, die Erfahrung zeige vielmehr, dass das V-Leute-System nicht die Sicherheit erhöhe, sondern die Demokratie gefährde.

Thüringen ist damit Vorreiter in Sachen V-Leute beim Verfassungsschutz. So sagte etwa der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) der Thüringer Allgemeinen, dass das Land für die „sensiblen Beobachtungen eines guten Verfassungsschutzes“ auf „unmittelbare Einschätzungen und Eindrücke von Menschen angewiesen“ sei.

Auch für die grün-rote Regierung in Baden-Württemberg ist der Einsatz von V-Leuten demnach „unverzichtbar“. In bestimmten Fällen könne der Staat „ohne den Einsatz menschlicher Quellen unmöglich feststellen“, welche Gefahren drohten, sagte Innenminister Reinhold Gall (SPD) der Zeitung. Das SPD-geführte Innenministerium der rot-grünen Regierung in Nordrhein-Westfalen erklärte, der Einsatz von V-Leuten sei ein nachrichtendienstliches Mittel, das insbesondere in extremistischen Bereichen notwendig sei.

Die Linkspartei hatte sich in Thüringen ursprünglich dafür ausgesprochen, den Verfassungsschutz ganz abzuschaffen. Sie ließ diese Forderung aber in den Sondierungsgesprächen fallen.

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