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Verfassungsschutz und NGOsRechts vor links – das gefährdet die Demokratie

Pascal Beucker

Kommentar von

Pascal Beucker

Dass die Bundesregierung progressive zivilgesellschaftliche Organisationen vom Verfassungsschutz überprüfen lässt, schadet der demokratischen Kultur.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Karin Prien (CDU), Bundesministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Foto: Kay Nietfeld/dpa

A uch wenn es wie aus einer Sonntagsrede klingen mag: Zivilgesellschaftliche Initiativen sind ein unverzichtbarer Teil der bundesdeutschen Gesellschaft. Gerade in der heutigen Zeit ist es wichtig und notwendig, demokratiefördernde Projekte zu unterstützen. Als aus den Neuen Sozialen Bewegungen der 1970er Jahre entstandenes Produkt stand für die taz schon bei ihrer Gründung fest: Sozial-, umwelt-, integrations-, entwicklungs-, bildungs- oder jugendpolitische Zielsetzungen brauchen eine Lobby auch jenseits der Parlamente. Das gilt immer noch.

Dass nicht mehr nur freiwillige Feuerwehren, Landessportverbände oder gar Schützenvereine staatlich gefördert wurden, sondern auch progressive Nichtregierungsorganisationen, war einst ein gesellschaftlicher Fortschritt. Reaktionären war und ist dies jedoch von jeher ein Dorn im Auge. Mit dem gesellschaftlichen Rechtsruck hat in den vergangenen Jahren die Propaganda dagegen stark zugenommen. Insbesondere das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ steht massiv unter Beschuss von rechts.

Und das zeigt Wirkung: Die christdemokratische Bundesbildungsministerin Karin Prien hat bereits angekündigt, nicht nur die Mittel für das Programm zu kürzen, sondern zudem die Überprüfung der beteiligten Organisationen durch den Verfassungsschutz auszuweiten. „Es kann nicht die Lösung sein, Rechtsextremismus über die Förderung linker Aktivisten bekämpfen zu wollen“, begründete sie das gegenüber einem rechtsgestrickten Blatt. Großzügig gefördert wird von Schwarz-Rot lieber eine fragwürdige Vorfeldorganisation der Union, wie Republik 21, ein Verein an der Schnittstelle zwischen Rechtskonservatismus und -populismus.

Allerdings gibt es nicht erst seit dem Amtsantritt der schwarz-roten Koalition von Friedrich Merz ein großes staatliches Misstrauen gegenüber progressiven zivilgesellschaftlichen Initiativen. Wie eine eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei zeigt, übten sich auch schon die Regierungen von Angela Merkel und Olaf Scholz in einer unerfreulichen Verdachtskultur – gingen damit nur nicht so öffentlichkeitswirksam hausieren.

Alleine in den Jahren 2020 bis 2024 ließen sie insgesamt 1.250 NGOs und 1.296 Einzelpersonen vom Bundesamt für Verfassungsschutz überprüfen – und zwar ohne Wissen der Betroffenen, das heißt auch ohne Möglichkeit zu einer Stellungnahme. Die Frage, in wie vielen Fällen daraufhin die staatliche Förderung abgelehnt oder eingestellt wurde, ließ die Bundesregierung offen.

Ob Schwarz-Rot oder Rot-Grün-Gelb: Das Vorgehen der derzeitigen wie auch der vorherigen Regierungskoalitionen ist empörend. Anders als linke Aktivist:innen, die Rechtsextremismus bekämpfen, schadet es der demokratischen Kultur in diesem Land.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist Mitte vergangenen Jahres im Kohlhammer Verlag erschienen.
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