Verfilmung von Comic „Endzeit“: Eine Seuche sucht die Erde heim

Carolina Hellsgård verfilmt einen Comic von Olivia Vieweg. Darin gehen zwei Frauen in Thüringen durch eine Hölle voll von männlichen Untoten.

Zwei Frauen rennen über eine Brücke auf einen Zaun zu, sie werden von einer Zombiehorde verfolgt

Werden sie den Zaun erreichen? Vivi und Eva flüchten in „Endzeit“ vor einer Horde Zombies Foto: Anke Neugebauer/Grown Up Films

Ein Zaun trennt die eine Seite von der anderen. Hüben befestigen Menschen das Drahtgeflecht, verrammeln undichte Stellen am Tor. Drüben ist scheinbar unberührte Natur. Hier und da wackeln aus der Ferne Gestalten heran. Sobald sie nah genug kommen, gehen Schützen in Stellung und machen von der Schusswaffe Gebrauch.

In der Zukunft ist Deutschland wieder geteilt, aber anders als früher. Jetzt hat eine Seuche die Erde heimgesucht. Fast alle sind Zombies oder werden dazu, wenn es zu traumatischem Kontakt mit den Untoten gekommen ist. Bloß in Weimar und Jena leben noch Menschen. Beide Städte sind mit Zäunen abgeschirmt vom waldigen Umland. Von dort ist nichts Gutes zu erwarten.

„Endzeit“ ist der zweite Spielfilm der schwedischen Regisseurin Carolina Hellsgård. Als Vorlage diente der gleichnamige Comic von Olivia Vieweg, die auch das Drehbuch schrieb. Vieweg stammt selbst aus Jena, ihre Geschichte könnte auf den ersten Blick jedoch auch ganz woanders spielen. Sieht man davon ab, dass zu Beginn das Goethe-Schiller-Denkmal Weimar als Ort der Handlung markiert.

In Weimar trifft die Patientin Vivi (Gro Swantje Kohlhof) beim Dienst am Schutzzaun auf die kampferprobte Eva (Maja Lehrer). Die eine ängstlich und schwach, die andere hart und zu fast allem entschlossen. Vivi muss ein Loch im Zaun flicken helfen, da kommt ein Zombie angelaufen und beißt eine andere Helferin in den Arm.Eva springt hinzu, wehrt den Zombie ab und hackt der Verletzten ohne zu zögern den Arm ab. Damit aber nicht genug: Regel ist Regel, sagt ihre Aufseherin. In Weimar tötet man Infizierte sofort.

Ums Blut geht es nicht

Kurz darauf entschließt sich Vivi, die Stadt in Richtung Jena zu verlassen. Sie sucht ihre kleine Schwester, die noch irgendwo da draußen sein muss. Zwischen beiden Städten verkehrt ein Versorgungszug. Vollautomatisiert, ohne Personal oder Fahrgäste. In diesem Zug trifft Vivi nach ihrem Ausbruch wieder auf Eva. Die hat eigene Gründe, aus Weimar wegzugehen. Und dann bleibt der Zug auf freier Strecke liegen.

„Endzeit“, Regie: Carolina Hellsgård. Mit Gro Swantje Kohlhof, Maja Lehrer u. a. Deutschland 2018, 90 Min.

„Endzeit“ ist kein Zombiefilm, der die Konvention des optisch ausgestellten Kannibalismus oder, wenn man Zombies nicht als Artgenossen betrachten will, gewaltsamen Verzehrs von Menschenfleisch bedient. Ums Blut geht es nicht. Dafür sieht man viel Wald, der gar nicht besonders deutsch wirkt, allerdings ein reges Eigenleben zu führen scheint. Die Zombies sind vor allem eine Bedrohung, etwas, auf das man reagieren muss. Und zu dem Eva und Vivi eine Haltung zu entwickeln versuchen. Eva wählt etwa das Bild, dass die Menschen zu lange keine Miete gezahlt haben und jetzt die „Räumungsklage“ präsentiert bekommen.

Noch eindeutiger wird „Endzeit“ in seiner Öko-Apokalypse mit der Figur der im Wald lebenden „Gärtnerin“, gespielt von Trine Dyrholm. Der wachsen Zweige aus dem Kopf, und den Menschen gegenüber zeigt sie sich wenig gnädig. „Chance vertan“, so ihr Urteil. Doch statt einer Auslöschungsfantasie erkundet „Endzeit“ eine Vision des kreativen Chaos. Der Mensch mag an sein Ende kommen, das Ende aller Tage ist damit hingegen nicht erreicht. Auch sind die Zombies für die Menschen nicht der evolutionären Weisheit letzter Schluss, sondern, wie es scheint, ein Übergangsphänomen. Danach muss man sehen.

Statt einer Auslöschungsfantasie erkundet „Endzeit“ eine Vision des kreativen Chaos

In „Endzeit“ schafft Hellsgård eine Stimmung aus Melancholie und Gefahr, in der der Schrecken behutsam dosiert wird. Besonders zu loben ist Leah Drehers Kamera, die lange auf den Dingen und Lebewesen verweilt, sich ihnen staunend nähert und sie fremd sein lassen kann. Ebenfalls großen Anteil an diesem von Trauer überlagerten Grauen hat die Komponistin Franziska Henke, die verwehte elektronische Klänge hinzugibt.

Dass unter den Beteiligten nur Frauen genannt wurden, ist übrigens kein Zufall. Hellsgård hat für den Film ein vorwiegend weibliches Team zusammengestellt. Von wenigen männlichen Rollen abgesehen, gibt es ansonsten bloß viele maskuline Zombies. Toxische Männlichkeit? Ein Schelm jedenfalls, wer beim wütenden Zombie-Mob an den Wahlkampf im Osten denken muss.

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