Vergiftung der Umwelt: Tatzeit unbekannt

Die Staatsanwaltschaft ermittelt nicht länger wegen des verseuchten Grundwassers beim Tanklager Farge. AnwohnerInnen kritisieren den Ermittlungsstopp.

Das Reichweite des Tanklagers erstreckt sich von Farge bis Schwanewede. Bild: Bundesanstalt für Immobilienaufgaben

BREMEN taz | Wer für die krebserregenden Schadstoffe im Grundwasser rund um das Tanklager Farge verantwortlich ist, wird die Staatsanwaltschaft nicht mehr herausfinden. Am Montag wurden die im November 2012 eingeleiteten Ermittlungen wegen Verdachts auf Gewässer und Bodenverunreinigung gegen Unbekannt eingestellt. Die Bürgerinitiative „Tanklager Farge“ (BI) kritisierte den Ermittlungsstopp umgehend.

Das 316 Hektar umfassende Gelände in Bremen-Nord und Schwanewede ist das größte künstlich angelegte unterirdische Tanklager der Welt: 78 Behälter mit je 4.000 Kubikmetern Fassungsvermögen sind durch 125 Kilometer lange Leitungen verbunden – mit Beton ummantelt und vergraben, um die Tanks gegen Bombenangriffe zu schützen. Gebaut wurde die Anlage ab 1935 von der Wehrmacht, später haben US-Army und Bundeswehr sie übernommen.

Die Umweltschäden auf dem Areal sind gewaltig: Zwei Meter dick steht das Öl auf dem Grundwasser, 119 Flächen sind mit Giftstoffen versetzt. Über Jahrzehnte waren Öl, aromatische Kohlenwasserstoffe und Methyltertiärbutylether (MTBE) ins Erdreich gelangt.

Dass die Staatsanwalt ihre Ermittlungen gegen den unbekannten Verursacher nun einstellt, hat formale Gründe: Ein Gutachten bestätigte den Ermittlern, dass es naturwissenschaftlich unmöglich sei, das Alter der Schadstoffe und ihren Austrittszeitpunkt zu bestimmen. Für die Staatsanwaltschaft ein „absolutes Ermittlungshindernis“, denn bei unbekannter Tatzeit könne eine Verjährung der Straftat nie ausgeschlossen werden.

Relevant ist der Tatzeitpunkt auch in anderem Zusammenhang: MTBE ist ein Zusatzstoff für bleifreies Benzin, das erst seit 30 Jahren auf dem Markt ist. Auch wenn der Stoff bereits vorher in militärischen Kraftstoffen verwendet worden sein könnte, gilt es als unwahrscheinlich, dass die Umweltbelastungen allein auf Beschädigungen der Tanks im Zweiten Weltkrieg zurückzuführen sind.

Für Enttäuschung sorgte der Ermittlungsstopp bei der BI: „Der Bund sieht sich als Schadensverursacher in der Sanierungspflicht und in Bremen will man die Verursacher nicht ermitteln können“, sagte Henning Leber, zweiter Vorsitzender der Initiative. „Ich hoffe nicht, dass man da auf einem Auge blind ist.“ Die BI will die Entscheidung der Staatsanwaltschaft prüfen und die Ermittler veranlassen, „das Verfahren ordnungsgemäß durchzuführen“. Leber kritisiert, dass die Dokumentation über die gelagerten Kraftstoffe der militärischen Geheimhaltung unterliegt: „Würde man die chemische Analyse des verschmutzen Grundwassers und diese Informationen übereinander legen, könnte man sehr genau den Finger in die Wunde legen!“

Bekannt ist die Verschmutzung des Wassers schon lange – wenn auch nicht der Öffentlichkeit. Die Bundeswehr hatte bereits 1968 im Bereich des Tanklagers Grundwasser abgepumpt. Seit 2009 wissen auch die AnwohnerInnen Bescheid, weil die Umweltbehörde infolge eigener Untersuchungen vor der Verwendung des vergifteten Wassers warnte.

Seit 2010 wird das Grundwasser saniert – ein Langzeitprojekt, wie die Bundeswehr auf Anforderung von Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne) ermittelte: 20 Jahre soll das noch dauern.

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