Verhandlung beim Europäischen Patentamt: "Es darf nicht nur um Technik gehen"

Großkonzerne wollten mit Patenten auf Pflanzen und Tiere die Kontrolle über unsere Ernährung erlangen, sagt der SPD-Abgeordnete Matthias Miersch.

Patentierung zulässig? Getreide der Sorte Triticale, eine Kreuzung aus Weizen und Roggen, auf einem Feld in Nordrhein-Westfalen. Bild: dpa

taz.de: Herr Miersch, das Europäische Patentamt verhandelt am Dienstag darüber, ob weiter auch ohne Genmanipulation gezüchtete Pflanzen patentiert werden dürfen. Mit welcher Entscheidung rechnen Sie?

Matthias Miersch: Die Entwicklung der Patenterteilung durch die Behörde geht aktuell leider in eine negative Richtung. So hat das Patentamt vor einiger Zeit zum Beispiel ein Patent auf Sonnenblumen erteilt. Im aktuellen Fall sind sogar das Verfahren konventioneller Züchtung, alle daraus resultierenden Pflanzen, die Samen und die essbaren Teile betroffen. Ich halte alle diese Punkte nicht für vereinbar mit dem EU-Recht und hoffe, dass die Große Beschwerdekammer des Patentamts das auch so sieht.

Was ist an Patenten auf Pflanzen so schlimm?

MATTHIAS MIERSCH, 41 Jahre, hat als Rechtsanwalt dafür gekämpft, dass die Kartoffelsorte Linda weiter angebaut werden darf. Er ist Mitglied im Umweltausschuss des Bundestages, in dem er als Abgeordneter für die SPD sitzt. (jma)

Das Patentrecht wird dazu missbraucht, den elementaren Bereich der Ernährung in die Hände weniger Großkonzerne zu legen. Und wenn die im Besitz zum Beispiel von Züchtungsverfahren sind, dann haben sie die Quelle der Ernährung unter Kontrolle. Dann können sie allein entscheiden, wer - natürlich nur gegen Geld - auf diese Verfahren zurückgreifen darf. Das kann katastrophale Folgen für die Landwirtschaft haben.

Und für den Verbraucher?

Solche Patente beeinträchtigen die Vielfalt des Lebensmittelangebots. Schließlich darf man nicht mehr alles züchten. Natürlich entsteht durch die Monopolisierung der Saatgutproduktion auch eine Preistreiberei.

Wir führen nur Gesetze aus, sagt das Patentamt.

Gesetze sind immer auslegungsfähig. Das Europäische Patentamt finanziert sich vor allem durch Gebühren für die Patenterteilung. Das heißt: Die Neigung, kritisch an das Patentproblem heranzugehen, ist in der Behörde offenkundig nicht ganz ausgeprägt.

Was muss die Politik tun?

Wir dürfen nicht darauf warten, bis das Europäische Patentamt die Rechtsentwicklung in eine Richtung ausgelegt hat, die der Gesetzgeber eben nicht wollte. Stattdessen müssen wir jetzt die Gesetze so präzisieren, dass diese Form der Auslegung nicht mehr möglich ist.

Wie müssten die Gesetze geändert werden?

Das nationale Patentrecht sollte auch bio- und sozialethische Aspekte berücksichtigen. Es darf nicht nur um Technik gehen, wenn ein Patent erteilt wird. Deutschland muss auch eine Führungsrolle übernehmen, um das Europäische Patentrecht zu ändern. Da muss ganz klar verboten werden, klassische Züchtungsverfahren zu patentieren. Auch Pflanzen und Tiere dürfen nicht patentiert werden. Bisher sind nur Patente auf Pflanzensorten und Tierrassen verboten, sodass sich ganze Baumgruppen, ganze Sonnenblumenarten doch patentieren lassen.

Reicht das?

Das Europäische Patentamt muss durch Steuern finanziert werden, damit es unabhängiger von den Patentantragsteller wird. Und wir brauchen ein Prozesskostenhilfesystem für Verbraucher und Verbände, weil die Einspruchsverfahren gegen Patente sehr teuer sind. Außerdem müssen die Patente künftig von unabhängigen Richtern überprüft werden und nicht von Kammern des Patentamts selbst.

Wie wollen Sie das als Oppositionspartei durchsetzen?

Zu entsprechenden Anträgen von uns und den Grünen haben alle Bundestagsfraktionen Wohlwollen signalisiert. Wir haben deshalb mit den anderen verabredet, noch in der Sommerpause zu einer gemeinsamen Beschlussfassung zu kommen.

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