Verhandlungspoker um Hamburger Flüchtlingsunterkünfte: Warten auf den weißen Rauch

Am Montag müssen Rot-Grün und die Ini für kleinere Flüchtlingsheime einen Kompromiss finden, sonst droht ein Volksentscheid, der die Stadt spaltet.

Flüchtlinge in Jenfeld: Um den Abstand zwischen den Unterkünften ist ein Streit entbrannt Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

HAMBURG taz | „Wir arbeiten mit Hochdruck an einer Lösung“ – mehr als dieser Satz ist am Wochenende nicht zu vernehmen. Die Kontrahenten tagen hinter verschlossenen Türen. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit. Bereits am Freitag wollten die Vertreter der rot-grünen Koalition, die Fraktionschefs Andreas Dressel (SPD) und Anjes Tjarks (Grüne) gemeinsam mit Initiativen-Sprecher Klaus Schomaker eine Lösung im Streit um die zukünftige Flüchtlingsunterbringung präsentieren. Der Termin platzte, die Verhandlungen gingen in die Verlängerung und bescherten den Protagonisten ein äußerst arbeitsreiches Wochenende.

Denn klar ist: Steigt am heutigen Montag kein weißer Rauch auf, ist der Zeitplan komplett gerissen, ein Volksentscheid über die Größe der entstehenden Folgeunterbringungsunterkünfte und ihren Abstand zueinander fast unausweichlich. Um das zu verhindern, muss die rot-grüne Bürgerschaftsmehrheit den noch nicht existenten Kompromiss auf ihrer letzten Sitzung vor der Sommerpause am kommenden Donnerstag beschließen. Dazu müssen die beiden Fraktionen zuvor am Montagnachmittag auf ihren Vorbereitungssitzungen den Deal billigen.

Zeitlichen Spielraum gibt es aufgrund der kommende Woche beginnenden Parlamentarischen Sommerpause nicht: Nur noch bis zum 30 August hat die Bürgerschaft Zeit, mit der Initiative zu einer Vereinbarung zu kommen – dann endet die gesetzliche Frist. Doch die erste Bürgerschaftssitzung nach den Ferien findet erst am 7. September statt.

Worüber sich die Kontrahenten uneinig sind, darüber verlieren sie nur Andeutungen. Die Initiative „Hamburg für gute Integration“ pocht darauf, Flüchtlinge dezentral in Unterkünften unterzubringen, die nicht mehr als 300 Plätze haben und mindestens einen Kilometer voneinander entfernt liegen. Das jedoch ist, so hat der rot-grüne Senat rechnen lassen, gar nicht möglich, wenn die Zuwanderung so anhält wie im vergangenen Jahr.

Deshalb verhandeln die Fraktionschefs und die Initiative längst verschiedene Unterbringungsmodelle für unterschiedliche Zuwanderungsentwicklungen – ein komplexes Zahlenspiel, das die Verhandlungen nicht leichter macht. Und das dadurch noch unüberschaubarer wird, dass „Hamburg für gute Integration“ viele lokale Bürgerinitiativen vertritt, die zahlreiche Sonderinteressen in die Verhandlungen mit einbringen und zur Bedingung für ihre Zustimmung erklären.

Doch auch am Scheitern der Verhandlungen können beide Seiten kein Interesse haben – aus unterschiedlichen Gründen. Rot-Grün befürchtet, dass der von der Initiative angestrebte Volksentscheid, die Stadt spalten und fremdenfeindlichen Tönen einen Resonanzboden liefern würde. Zudem haben die Regierenden bislang fast alle Volksentscheide, so den zur Schulreform, zum Rückkauf der Energienetze und zur Olympia-Bewerbung, verloren. Eine erneute Niederlage aber könnte die Stadt vor unlösbare logistische Probleme stellen, da die Forderungen der Initiative nach Höchstgröße und Mindestabstand bei hohen Flüchtlingszahlen planerisch nicht umsetzbar scheinen.

Die Initiative hingegen hat das Problem, dass ein Volksentscheid frühestens im Herbst 2017 parallel zur Bundestagswahl stattfinden könnte, wenn ein Großteil der Folgeunterkünfte schon längst gebaut und bezogen wäre. Er käme also schlicht zu spät.

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