Verkehrspolitik: Begegnung der gemächlichen Art

Drei Straßen will der Senat in "Begegnungszonen" umwandeln. Ein Favorit: die Maaßenstraße in Schöneberg. Ein anderer: die Ecke am Checkpoint Charlie.

Auf der Friedrichstraße am Checkpoint Charlie ist jetzt schon alles ein bisschen entspannter. Bild: dapd

Die Schönberger Maaßenstraße ist schon länger eine Ausgehmeile, aber in den vergangenen Jahren hat sich die Café- und Bardichte zwischen Nollendorf- und Winterfeldtplatz noch einmal stark erhöht. Tische und Stühle blockieren die Bürgersteige, normale Geschäfte werden immer weniger. An Samstagen, wenn alle Welt über die Maaßenstraße zum Wochenmarkt auf den Winterfeldtplatz strömt, ist für Fußgänger, Fahrräder und Autos fast kein Durchkommen. Auch die Anwohner sind vom Gedränge und dem Verkehrslärm zunehmend genervt. Eine Lösung muss her – sie könnte im radikalen Umdenken bei der Straßennutzung liegen.

Es ist aber keine Fußgängerzone, die Oliver Schworck (SPD), Stadtrat für Ordnung und Bürgerdienste in Tempelhof-Schöneberg, vorschwebt: „Begegnungszone“ heißt das Zauberwort. Dabei handelt es sich um verkehrsberuhigte Straßen mit hohem Fußgängeraufkommen. Der Kraftverkehr wird nicht ausgesperrt, aber auf ein Tempo von 20 oder sogar 10 km/h reduziert.

Ob es in der Maaßenstraße dazu kommt, liegt nicht in der Hand des Bezirks. Im Rahmen der sogenannten Fußverkehrsstrategie, die der Senat 2011 beschlossen hat, ist geplant, drei Straßen in Berlin als Pilotprojekte in Begegnungszonen umzuwandeln. „Die Entscheidung wird noch dieses Jahr bekannt gegeben“, sagt Daniela Augenstein, Sprecherin von Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD).

Jeder Bezirk konnte sich bei einer Fachkommission mit Vorschlägen bewerben. Eingereicht wurden über 30 Straßennamen, rund zehn Vorschläge sind laut Augenstein übrig geblieben. Namen will sie nicht nennen. Nach Informationen der taz stehen aber neben der Maaßenstraße auch die Bergmannstraße in Kreuzberg und die Friedrichstraße am Checkpoint Charlie auf der Liste.

Keine Spielstraße

Idee der Begegnungszonen ist, dass sich die Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt begegnen. „Keiner hat Vorrechte“, so Augenstein. Im Klartext: Fußgänger dürfen auf der Straße laufen, Radfahrer zu zweit nebeneinanderfahren, ohne dass Autofahrer sie zur Seite hupen dürfen. Das Modell komme aus den Niederlanden, sagt Augenstein. Mit Spielstraßen sei es nicht zu vergleichen. Das seien sehr kleine Straßen in Wohngebieten mit Schrittgeschwindigkeit. „Die Begegnungszone hat in Deutschland kein Vorbild“, so Augenstein. Stadtrat Oliver Schworck findet die Geheimhaltungspolitik der Senatsverwaltung richtig. Unnötige Diskussionen und Aufregung würden so vermieden. Bei einer Bürgerversammlung, die heute um 19 Uhr im „Pallasseum“ in der Potsdamer Straße stattfindet, will das Bezirksamt den Anwohnern aber reinen Wein einschenken. Schworck wird dann das Modell einer Begegnungszone in der Maaßenstraße öffentlich vorstellen.

Er sei gespannt auf die Reaktionen, sagt der Stadtrat. Gegen den Willen einer breiten Mehrheit werde man die Bewerbung natürlich nicht aufrechterhalten. Aber er ist optimistisch, dass die Leute das Projekt gut finden. Die Maaßenstraße habe gute Chancen, den Zuschlag vom Senat zu bekommen, glaubt der Stadtrat. „Ich schätze, die Chancen stehen 50:50“.

Allzu viel kosten darf die Umgestaltung freilich nicht. Geld für teure Baumaßnahmen habe der Bezirk nicht, sagt Bürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD) zur taz. „Wir wollen klein, klein was bewirken“. Dazu müssten alle an einen Tisch und versuchen, Kompromisse zu finden. Bekäme die Maaßenstraße den Zuschlag, stünde aber eine Geldspritze vom Senat in Aussicht, erläutert Stadtrat Schworck: „Damit könnte man zum Bespiel die Radwege vom Bürgersteig auf die Straße verlegen.“

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