Verkehrspolitik: U 4 killt Straßenbahn

Statt Steilshoop an die Schiene anzubinden, will Bürgermeister Scholz (SPD) die Hafencity-U-Bahn verlängern. Zudem verspricht er "das modernste Bussystem Europas".

Wo Bus und eigenes Auto reichen müssen: Steilshoop muss weiter auf die Anbindung ans Schienennetz warten. Bild: Gerhard Kemme

Hamburg taz | Die Ankündigung des neuen Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD), die von Schwarz-Grün geplante Stadtbahn nicht zu bauen, ist auf vielfältige Kritik gestoßen. Der Fahrgastverband Pro Bahn, die Initiative "Stadtbahn Ja", Umweltverbände, Grüne und Linke erklärten die Entscheidung für falsch.

Scholz hatte in seiner Regierungserklärung am Mittwoch das Straßenbahnprojekt zwar als "gute Idee" bezeichnet. Nach der Entscheidung der CDU-geführten Senate für die Hafencity-U-Bahnlinie 4 könne sich Hamburg aber kein weiteres Nahverkehrssystem leisten. Für die östliche Hafencity solle die U-Bahn bis zu den Elbbrücken verlängert und dort mit der S-Bahn verknüpft werden. Verkehrssenator Frank Horch (parteilos) kündigte an, eine Verlängerung nach Wilhelmsburg zu prüfen.

Als Trost für die Großsiedlungen Steilshoop und Osdorfer Born, die seit Jahrzehnten auf eine Anbindung ans Schienennetz warten, und auch für die dicht besiedelten Quartiere Altons und Eimsbüttels versprach Scholz das modernste Bussystem Europas: "Wir wollen die Kapazitäten um ein Drittel steigern und ab 2020 nur noch emissionsfreie Busse anschaffen", kündigte er an. Es werde Busspuren und Vorrangschaltungen, vielleicht sogar spurgeführte Busse geben.

Vor dem Regierungswechsel hatte auch die Hochbahn (HHA) stets darauf hingewiesen, dass mit Bussen der Andrang auf bestimmten Strecken nicht bewältigt werden könne. Mit einem 25 Meter langen Doppelgelenkbus ließen sich im Fünf-Minuten-Takt 1.700 Menschen pro Stunde transportieren, mit einer 36 Meter langen Straßenbahn aber 2.900. Dabei bietet eine Straßenbahn mehr Platz pro Passagier und breitere Türen, so dass das Ein- und Aussteigen schneller geht.

"Im Massenbetrieb ist der Bus teurer als die Straßenbahn", warnt Dieter Doege von Pro Bahn. Die Stadtbahn brauche weniger Energie und weniger Personal als der Bus. Experimente mit Spurbussen könne sich Hamburg nicht leisten.

Die Initiative "Stadtbahn Ja" will weiter Unterschriften sammeln. Ihr Vorsitzender Harry Schaub schlug vor, das Planfeststellungsverfahren für den ersten Streckenabschnitt zu Ende zu bringen und den Beschluss auf Eis zu legen. Dann wären die Planungskosten nicht verpulvert.

Nach Ansicht der großen Umweltverbände ist die Stadtbahn unverzichtbar. In einem Posititonspapier fordern sechs Verbände eine "sofortige Wiedereinführung der Stadtbahn mit der Perspektive eines 50 Kilometer langen Streckennetzes". Dieses "moderne, ökologische und effektive Verkehrssystem" sei ein Mittel gegen den drohenden Verkehrsinfarkt auf den Straßen und für eine sauberere Luft, sagte Manfred Braasch (BUND). Scholz Aussagen zum Bussystem seien "nicht zu Ende gedacht". Ein Quantensprung im Nahverkehr sei mit Bussen nicht drin.

Der Senat will versuchen, die Bundesförderung, die für die Stadtbahn vorgesehen war, für die U-Bahn umwidmen zu lassen. Nach Einschätzung der Stadtentwicklungsbehörde sollte das vor dem Auslaufen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes 2019 zu schaffen sein. Pläne für die Verlängerung gebe es noch nicht. Die Kosten dürften "ganz grob geschätzt" bei 135 Millionen Euro liegen.

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