Verkehrspsychologe über Fahrrad vs Auto: „Es gibt nicht die Guten und die Bösen“

Warum brechen Radler Verkehrsregeln? Der Psychologe Peter Kiegeland über Emanzipation im Straßenverkehr und warum Critical Mass für den Alltag nicht geeignet ist.

Nicht immer ideale Verkehrsteilnehmer: Fahrradfahrer Bild: dpa

taz: Herr Kiegeland, werden Autofahrer immer als die Bösen und Radfahrer immer als die Guten wahrgenommen?

Peter Kiegeland: Nein, es gibt nicht die Guten und die Bösen. Wenn Sie als Autofahrer zehntausend anderen Autos begegnen und einer bringt Sie beim Überholen in Bedrängnis, erinnern Sie sich an den einen, der sich nicht regelkonform verhalten hat. Und das gilt nicht nur für Auto-, sondern auch für Radfahrer und Fußgänger. Dass sich der Großteil der Verkehrsteilnehmer korrekt verhalten hat, blendet man dann weitgehend aus.

Wie erleben Radfahrer im Gegensatz zu Autofahrern die Verkehrswelt?

Der Radfahrer hat keine Schutzzone um sich herum. Daraus folgt, dass er sich leichter bedroht fühlt. Manchmal besteht ein ideologischer Hintergrund. Es gibt Radfahrer, die daraus Sonderrechte für sich ableiten. Sie denken, wenn sie sich schon ökologisch korrekt verhalten, seien sie berechtigt, einige Regeln locker auszulegen. Zum Beispiel, dass sie trotz bestehenden Radwegs auf der Straße fahren.

Der ehemalige Verkehrsminister Peter Ramsauer benutzte einmal den Begriff Kampfradler. Wie kommt es zu dem Phänomen?

60, ist Vorsitzender der Sektion Verkehrspsychologie beim Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen.

Sie empfinden sich als sehr geschickt und routiniert. Mit dem Fahrrad, was klein und beweglich ist, nutzen sie alle Möglichkeiten des Vorwärtskommens aus. Und fahren für die Verkehrssituation auch manchmal zu schnell und kommen in Konflikt mit Fußgängern und auch mit Autofahrern.

Warum brechen Radfahrer Regeln?

Die einzelnen Teilnehmergruppen haben verschiedene Ansprüche an ihren Verkehrsraum. Den Fahrradfahrern muss das Vorankommen genauso ermöglicht werden, wie es Autofahrern ermöglicht wird. Sonst empfinden sie es als Schikane und sind verleitet, die Regeln zu brechen oder zu ignorieren. Es ist Aufgabe der Verkehrsplaner, den Raum so zu gestalten, dass er den Ansprüchen der Gruppen entspricht und gleichzeitig die anderen nicht beeinträchtigt. Dafür sollte man die Verkehrsräume so weit wie möglich trennen.

Können sich Radfahrer nicht selbst mit Konzepten wie der Critical Mass auch im Alltag emanzipieren?

Die Critical Mass als politische Maßnahme zur Demonstration eines Interesses ist gut, für den Alltag ist das jedoch nicht geeignet. Das behindert andere Teilnehmer. Autofahrer sind nicht automatisch die Bösen und Radfahrer nicht automatisch die Guten.

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