Verleihung des Deutschen Filmpreises: Nah am Wasser gebaut

Emily Atefs Romy-Schneider-Drama gewinnt beim Deutschen Filmpreis sieben Lolas. Hauptdarstellerin Marie Bäumer weint ausufernd.

Schauspielerin marie Bäumer nach der Verleihung des Deutschen Filmpreises

Glücklich über ihre Auszeichnung: Romy-Schneider-Darstellerin Marie Bäumer Foto: dpa

Jene drei denkenswerten Tage in Quiberon waren geprägt von Selbstzweifel und Verzweiflung, von Manipulation und Ausnutzung. Und stehen damit symbolisch für eine Zeit, in der (vorwiegend männliche) Journalisten sich das Recht herausnahmen, Antworten durch Beleidigungen, Kränkungen, abfällige Bemerkungen zu provozieren: Emily Atefs kluges Romy-Schneider-Drama, das bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises am Freitag mit sieben Lolas ausgezeichnet wurde, darunter auch die Goldene Lola für den Besten Film, ist gleichzeitig Sittenbild und Hommage.

Es ehrt sowohl die darin porträtierte Künstlerin als eine natürliche, verletzliche und intuitive Schauspielerin als auch Marie Bäumer, die sich gefährlich nah an Romys zerrissene Psyche heranwagt. Bäumer weint ausufernd und glücklich, als sie den Preis für die Beste Darstellerin verliehen bekommt, und wiederholt später in Interviews: „Weinen ist so wichtig!“ Ja, das ist es – und zwar bekanntlich auf und vor der Leinwand gleichermaßen.

Wie nah der deutsche Film momentan – im besten Sinne – am Wasser gebaut ist, wie sensibel er Film auf Stimmungen reagiert und wie aktuell er sie wiedergibt, zeigte die Auswahl, aus der die 1.900 Mitglieder ihren Gewerken gemäß abstimmen dürfen: Um Verlust, Trauerarbeit und Rechtsradikalismus geht es im Gewinner der Lola in Silber, Fatih Akins „Aus dem Nichts“, um Heimat, Fremde und Kommunikationsstörungen in Valeska Grisebachs „Western“, dem Gewinner der Bronzenen Lola.

Dabei ist Grisebachs grandioses Langzeitduell noch der formal ungewöhnlichste der nominierten Filme: Sie arbeitete stark mit Vorgefundenem, besetzte nicht nur alle Rollen mit LaiendarstellerInnen, sondern ließ auch dem vergessenen Dorf im Süden Bulgariens, in dem der Konflikt zwischen den ostdeutschen Bauarbeitern und den AnwohnerInnen köchelt, seine eigene Rolle: Organisch hat sie ihre Geschichte dort ein- und dem Umständen untergeordnet.

Ungewohnt lakonisch

Was ansonsten bei der entspannten, von Edin Hasanović verlässlich cool moderierten Preisverleihung unter der Leitung der ebenfalls immer entspannt wirkenden Sherry Hormann am Freitag auffiel, war das Fehlen vom künstlichen Pathos, das solcherlei Shows normalerweise überzuckert. Ob Charly Hübner, der seine Laudatio auf die drei nominierten Darstellerinnen frei und glaubhaft begeistert hielt, oder die wegen der üblichen Skype-Ausfälle fast wie ein gespielter Witz wirkende, dennoch emotionale Schalte zum Gewinner des Besten-Nebendarsteller-Preises ­Robert Gwisdek, der mit einem Ohr drauf hörte, ob seine Freundin im Nebenzimmer ihn vielleicht zum Nabelschnurabschneiden braucht – sie stand anscheinend Sekunden vor der Geburt.

Das mit den Familien, seien es angeborene, selbst gegründete oder zufällige, ist eben ein funktionierendes, verbindendes Element. Und jedeR kann mitfühlen, was es bedeutet, wenn ­Birgit Minichmayr, Gewinnerin der Lola für die Beste Nebendarstellerin, von der Bühne nach Hause (in Richtung Babybett) ruft: „Ich bin morgen früh wieder zurück, dann gibt’s auch wieder Milch!“

Ob die Methode des privaten Sichtens immer gewährleistet, dass tatsächlich alle Akademiemitglieder ihre Aufgabe erfüllen, bleibt fragwürdig, ist aber schlichtweg nicht anders lösbar – gemeinsamen Sichtungsterminen stehen 1.900 unterschiedliche, komplizierte ­Schedules gegenüber. Man wird also damit leben müssen, dass einige Kreuzchen bestimmt dem Umstand geschuldet sind, erst einmal den einen Film zu gucken, über den alle reden, und dann eventuell keine Zeit mehr für die anderen zu haben. Und ob man weitere Werke in die engere Auswahl hätte nehmen müssen, jüngere, provokantere vielleicht, etwa Jakob Lass’ „Tiger Girl“ oder Sonja Maria Kröners Debüt „Sommerhäuser“, darüber kann und darf man streiten. Eine einzige, „richtige“ Ansicht dazu gibt es eh nicht.

Ungewohnt lakonisch hatte gleich zu Anfang die Akademiepräsidentin Iris Berben ihre Kritik formuliert: „Ich hätte auch eine Rede aus einem der letzten Jahre nehmen können, ich rege mich immer über die gleichen Dinge auf!“ Dann appellierte sie daran, den Diskurs um den #metoo „ohne Häme und Ausgrenzung“ zu führen. Der in Bosnien geborene Moderator Hasanović konnte dagegen mit seinem eigenen Hintergrund gegen Nationalismus und Rechtspopulismus auftrumpfen. Ob sein Talent und seine Sprüche bis zu Björn Höcke durchdringen? Hoffentlich. Und auch wenn sie dort nichts ändern – politische Statements gegen Intoleranz und braune Soße gehören auf jede Kulturbühne.

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